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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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ihm gesenkt hielt.
    Sie ließ sich aufs Bett fallen. Sie streckte sich träge aus, warf den Kopf zurück und legte die Arme an die Seite ihres Körpers, die Handflächen auf das raue Gewebe des Bettüberwurfs gepresst, ein Bein angewinkelt, das andere quer über das dunkelblaue Leinen des Überwurfs gestreckt. Der Stein glühte wie eine Wunde im Halbdunkel und warf einen Stern aus Lichtstrahlen auf ihre Haut.
    Ihre Augen hatte sie im spöttischen, selbstbewussten Triumph des Bewundertwerdens halb geschlossen, aber ihr Mund war in hilfloser, flehender Erwartung leicht geöffnet. Er stand an der anderen Seite des Zimmers und sah sie an, auf ihren flachen Bauch, der sich mit ihrem Atem hob und senkte, den sensiblen Körper, der zu einem sensiblen Verstand gehörte. Mit leiser, entschlossener und seltsam ruhiger Stimme sagte er: „Wenn dich jetzt, wie du hier liegst, ein Künstler malte, Dagny, dann würden Männer kommen, um das Gemälde zu sehen und um einen Augenblick zu erleben, den ihnen nichts in ihrem eigenen Leben schenken könnte. Sie würden es große Kunst nennen. Sie würden nicht wissen, was es ist, das sie fühlen, aber das Gemälde würde ihnen alles zeigen – selbst dass du keine klassische Venus bist, sondern die Vizepräsidentin einer Eisenbahngesellschaft, denn das ist ein Teil davon; selbst was ich bin, denn auch das ist Teil des Bildes. Sie würden es fühlen, Dagny, sie würden weggehen und mit der ersten Bardame schlafen, die ihnen begegnet – und sie würden nie versuchen an das heranzukommen, was sie gefühlt haben. Ich würde dieses Gefühl nicht in einem Bild suchen wollen. Ich will es im echten Leben. Ich wäre nicht stolz auf hoffnungslose Sehnsucht. Ich wollte kein aussichtsloses Streben. Ich würde es haben wollen, schaffen wollen, leben wollen. Verstehst du, was ich meine?“
    „Oh ja, Hank, ich verstehe dich!“, sagte sie. Verstehst du es, mein Geliebter? Verstehst du es voll und ganz?, dachte sie, sprach es aber nicht laut aus.
    An einem Abend, als draußen ein Schneesturm wütete, kam sie nach Hause und fand in ihrem Wohnzimmer einen riesigen Strauß tropischer Blumen, der vor dem dunklen Fenster stand, das mit Schneeflocken besprenkelt war. Es waren Stängel von hawaiianischem Fackelingwer, beinahe einen Meter hoch; ihre riesigen Blüten waren blutrote Kelche aus Blütenblättern, die wie weiches Leder aussahen. „Ich habe sie im Schaufenster einer Blumenhandlung gesehen“, sagte er ihr, als er an dem Abend kam. „Ich mochte ihren Anblick im Schneesturm. Aber es gibt keine größere Verschwendung als einen Gegenstand in einem Schaufenster.“
    Von nun an fand sie oft unerwartet Blumen in ihrer Wohnung, Blumen, die ohne Karte geschickt worden waren, die aber durch ihre phantastischen Formen, ihre leuchtenden Farben und ihre Kostspieligkeit die Unterschrift des Absenders verrieten. Er brachte ihr ein Goldcollier aus kleinen, ineinander verketteten Quadraten, die ein breites Band aus massivem Gold bildeten, das wie das Kollar einer Ritterrüstung Hals und Schultern bedeckte. „Trag es mit einem schwarzen Kleid“, befahl er. Er brachte ihr einen Satz hoher, schmaler, kantig geschliffener Kristallgläser, die von einem berühmten Juwelier hergestellt worden waren. Sie beobachtete die Art, mit der er eines dieser Gläser hielt, wenn sie ihm einen Drink servierte – als verschmölzen die Berührung der Glasoberfläche unter seinen Fingern, der Geschmack des Getränks und der Anblick ihres Gesichts zu einem unteilbaren Moment der Freude. „Früher sah ich oft Dinge, die mir gefielen“, sagte er, „aber ich kaufte sie nie. Sie schienen keine Bedeutung zu haben. Jetzt haben sie eine.“
    Eines Morgens im Winter rief er sie im Büro an und sagte nicht im Ton einer Einladung, sondern im Befehlston eines Vorgesetzten: „Wir werden heute gemeinsam zu Abend essen. Ich möchte, dass du dich elegant kleidest. Hast du irgendein blaues Abendkleid? Dann zieh es an.“
    Das Kleid, das sie trug, war eine schmale Tunika in rauchigem Blau, die ihr ein Aussehen von schutzloser Einfachheit verlieh, das Aussehen einer Statue im blauen Schatten eines Gartens in der Sommersonne. Das Geschenk, das er ihr über die Schultern legte, war ein Blaufuchsumhang, der sie vom Kinn bis zu den Spitzen ihrer Sandalen einhüllte. „Hank, das ist lächerlich!“, sie lachte, „das ist nichts für mich!“
    „Nein?“, fragte er und zog sie vor einen Spiegel.
    Die ausladende Pelzdecke ließ sie aussehen wie ein

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