Der Streik
tückisch und sehr, sehr schwerwiegend.“
„Sie sind die Genussmenschen, während wir nur Geschäftsleute sind, du und ich. Siehst du, dass wir viel eher in der Lage sind, diesen Ort zu genießen, als sie jemals hoffen können zu sein?“
„Ja.“
Langsam sagte er im Ton eines Zitats: „Warum haben wir das alles Narren überlassen? Es hätte uns gehören sollen.“ Überrascht blickte sie ihn an. Er lächelte. „Ich erinnere mich an jedes Wort, das du auf dieser Gesellschaft zu mir gesagt hast. Ich habe dir damals nicht geantwortet, weil ich dachte, dass die einzige Antwort, die ich hatte, das Einzige, was deine Worte mir bedeuteten, eine Antwort sei, für die du mich hassen würdest. Die Antwort war, dass ich dich wollte.“ Er blickte sie an. „Du hast es damals nicht so gemeint, Dagny, aber was du gesagt hast, war, dass du mit mir schlafen wolltest, habe ich recht?“
„Ja, Hank. Natürlich.“
Er sah ihr in die Augen, dann blickte er weg. Lange Zeit schwiegen sie. Er blickte in das sanfte Halbdunkel ringsum, dann auf das Glitzern der beiden Weingläser auf dem Tisch. „In meiner Jugend, Dagny, als ich in den Erzminen von Minnesota arbeitete, dachte ich, dass ich einmal einen Abend wie diesen erleben wollte. Nein, es war nicht das, wofür ich arbeitete, und ich dachte auch nicht oft daran. Aber manchmal, an einem Winterabend, wenn die Sterne leuchteten und es draußen eiskalt war, wenn ich müde war, weil ich zwei Schichten hintereinander gearbeitet hatte, wenn ich nichts mehr auf der Welt wollte, als mich da, wo ich war, mitten in der Mine, hinzulegen und zu schlafen, dachte ich, dass ich eines Tages an einem Ort wie diesem sitzen würde, wo ein Glas Wein mehr kostet als ein Tageslohn, und dass ich jede Minute davon verdient hätte, jeden Tropfen und jede Blume auf dem Tisch, und dort aus keinem anderen Grund sitzen würde als meinem eigenen Vergnügen.“
Mit einem Lächeln fragte sie: „Mit deiner Geliebten?“
Sie erkannte den plötzlichen Schmerz in seinen Augen und wünschte verzweifelt, sie hätte es nicht gesagt.
„Mit … einer Frau“, antwortete er. Sie wusste, welches Wort es war, das er nicht ausgesprochen hatte. Mit sanfter, fester Stimme sprach er weiter: „Ich wurde reich und sah, was die Reichen zu ihrem Vergnügen taten, ich dachte, dass der Ort, den ich mir vorgestellt hatte, nicht existierte. Ich hatte ihn mir gar nicht so genau ausgemalt. Ich wusste nicht, wie er aussehen würde, sondern nur, wie ich mich fühlen würde. Ich habe vor Jahren aufgegeben, darauf zu warten. Aber heute Abend fühle ich es.“
Er hob sein Glas und sah ihr in die Augen.
„Hank, ich … ich würde alles, was ich je in meinem Leben hatte, aufgeben, außer ein … ein Luxusobjekt zu deinem Vergnügen zu sein.“
Er sah, wie ihre Hand zitterte, mit der sie ihr Glas hielt. Ruhig sagte er: „Das weiß ich, Liebste.“
Sie war starr vor Schreck: Er hatte dieses Wort nie zuvor benutzt. Er warf den Kopf zurück und schenkte ihr das strahlendste, fröhlichste Lächeln, das sie jemals in seinem Gesicht gesehen hatte.
„Dein erster Moment der Schwäche, Dagny“, sagte er.
Sie lachte und schüttelte den Kopf. Er streckte seinen Arm über den Tisch und legte seine Hand um ihre nackte Schulter, als wollte er ihr für einen Moment Halt geben. Mit einem zarten Lachen ließ sie ihren Mund wie zufällig über seine Finger streichen. So hielt sie ihr Gesicht in dem Augenblick gesenkt, in dem er hätte sehen können, dass das Funkeln in ihren Augen Tränen waren.
Als sie zu ihm aufsah, glich ihr Lächeln dem seinen, und der Rest des Abends war ihre Feier – für all die Jahre, die er in den Erzminen verbracht hatte, für all die Jahre seit der Nacht ihres ersten Balls, als sie sich in einsamer Sehnsucht nach einem unbeschwerten Anblick der Freude über die Menschen gewundert hatte, die erwarteten, dass Lichter und Blumen ihnen Glanz verleihen würden.
„Beinhaltet das, was man uns lehrt, nicht … irgendeinen tückischen, schwerwiegenden Fehler?“ Sie dachte an seine Worte, als sie an einem trübseligen Frühlingsabend im Wohnzimmer in einem Lehnstuhl lag und auf ihn wartete. … Nur noch ein wenig weiter, mein Geliebter, dachte sie, sieh ein wenig weiter, und du wirst von diesem Fehler befreit werden und von all den unnötigen Schmerzen, die du nie hättest empfinden sollen. … Aber sie fühlte, dass auch sie noch nicht bis zum Ende gesehen hatte und fragte sich, was es für sie noch zu entdecken gab.
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