Der Streik
zu und schleuderte sie weg.
Es war das Gesicht von Francisco d’Anconia. Die Überschrift besagte, dass er in New York angekommen sei. Und wenn schon, dachte sie. Sie würde ihm nicht begegnen müssen. Sie hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen.
Sie starrte die Zeitung auf dem Fußboden an. Lies es nicht, dachte sie, sieh es dir nicht an. Aber das Gesicht, dachte sie, hatte sich nicht verändert. Wie konnte ein Gesicht gleich bleiben, während alles andere verschwunden war? Sie wünschte, sie hätten kein Bild genommen, auf dem er lächelte. Diese Art von Lächeln gehörte nicht in eine Zeitung. Denn es war das Lächeln eines Mannes, der die Großartigkeit des Lebens sehen, erkennen und erschaffen kann. Es war das spöttische, herausfordernde Lächeln eines brillanten Kopfes. Lies es nicht, dachte sie, nicht jetzt, nicht zu dieser Musik, oh bitte nicht zu dieser Musik!
Sie griff nach der Zeitung und öffnete sie.
In dem Bericht stand, dass Señor Francisco d’Anconia der Presse in seiner Suite im Hotel Wayne-Falkland ein Interview gegeben hatte. Er sagte, er sei aus zwei guten Gründen in New York: erstens wegen eines Garderobenmädchens im Cub Club und zweitens wegen der Leberwurst in Moes Delikatessenladen in der Third Avenue. Über den bevorstehenden Scheidungsprozess von Mr. und Mrs. Gilbert Vail hatte er nichts zu sagen. Mrs. Vail, eine Dame vornehmer Abstammung und von außergewöhnlicher Schönheit, hatte vor einigen Monaten ihren respektablen, jungen Ehemann brüskiert und öffentlich erklärt, dass sie ihn zugunsten ihres Liebhabers Francisco d’Anconia loswerden wolle. Sie hatte der Presse einen detaillierten Bericht über ihre geheime Romanze übermittelt, einschließlich einer Beschreibung der letzten Silvesternacht, die sie in d’Anconias Villa in den Anden zugebracht habe. Ihr Ehemann erholte sich von dem Schock und reichte die Scheidung ein. Sie konterte mit einer Klage auf die Hälfte seines Millionenvermögens und mit einem Bericht über sein Privatleben, das ihr eigenes, wie sie sagte, vergleichsweise unschuldig aussehen ließ. All das hatte wochenlang die Zeitungen gefüllt. Aber als die Reporter ihn befragten, hatte Señor d’Anconia nichts dazu zu sagen. Ob er Mrs. Vails Geschichte abstreiten wolle, wurde er gefragt. „Ich streite niemals etwas ab“, gab er zurück. Die Reporter waren überrascht von seiner plötzlichen Ankunft in der Stadt, denn sie hatten angenommen, dass er nicht just in dem Moment hier sein würde, wenn der Höhepunkt des Skandals auf den Titelblättern breitgetreten würde. Aber sie hatten sich geirrt. Francisco d’Anconia fügte den Gründen seines Kommens eine weitere Erklärung hinzu: „Ich bin gekommen, um die Farce mitzuerleben“, sagte er.
Dagny ließ die Zeitung zu Boden sinken. Sie beugte sich vor und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Sie saß regungslos da, nur die Strähnen ihres Haares, die bis zu ihren Knien hinabhingen, erzitterten von Zeit zu Zeit.
Die großen Akkorde von Halleys Musik erklangen weiter, erfüllten den Raum, kratzten an den Scheiben und drangen hinaus in die Stadt. Sie hörte die Musik. Sie war ihre Suche, ihr Schrei.
*
James Taggart blickte im Wohnzimmer seines Apartments um sich und überlegte, wie spät es wohl war. Er hatte keine Lust, sich zu bewegen, um seine Armbanduhr zu suchen. Er saß in einem Lehnstuhl, mit einem faltigen Pyjama bekleidet und barfuß. Seine Pantoffeln zu suchen, war ihm zu anstrengend. Das Licht des grauen Himmels, das durch die Fenster fiel, schmerzte in seinen Augen, die noch vom Schlaf verklebt waren. Er fühlte, wie sich im Inneren seines Schädels die unangenehme Schwere breitmachte, die sich später zu Kopfschmerzen auswachsen würde. Er fragte sich ärgerlich, warum er hinaus ins Wohnzimmer gestolpert war. Ach ja, erinnerte er sich, um nachzusehen, wie spät es war.
Er ließ sich seitlich über die Armlehne des Sessels fallen und erhaschte einen Blick auf die Uhr auf einem weit entfernten Gebäude: Es war zwanzig Minuten nach zwölf.
Durch die offene Schlafzimmertür hörte er, wie Betty Pope sich im Badezimmer dahinter die Zähne putzte. Neben einem Stuhl lag mit dem Rest ihrer Kleidung ihr Hüfthalter auf dem Boden; er hatte eine ausgeblichene rosa Farbe und verschlissene Gummibänder.
„Kannst du dich etwas beeilen?“, rief er gereizt. „Ich muss mich anziehen.“
Sie antwortete nicht. Sie hatte die Tür zum Badezimmer offen gelassen, er konnte sie gurgeln hören.
Warum mache
Weitere Kostenlose Bücher