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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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von einem Haufen Latino-Politiker mit einem Dekret unterkriegen? Er muss noch etwas gegen sie in der Hand haben. Er wird das letzte Wort bekommen, und wir müssen zusehen, dass wir dann auch zur Stelle sind!“
    „Das ist Ihre Sache, Jim. Er ist Ihr Freund.“
    „Von wegen Freund! Ich kann ihn nicht ausstehen!“
    Er drückte den Knopf, um seinen Sekretär zu rufen. Der Sekretär trat unsicher ein, er sah alles andere als glücklich aus. Er war ein junger Mann, nicht mehr ganz jung, mit einem blutleeren Gesicht und den guten Manieren der verarmten Oberschicht.
    „Haben Sie für mich einen Termin bei Francisco d’Anconia vereinbart?“, fragte Taggart gereizt.
    „Nein, Sir.“
    „Aber verdammt noch mal, ich habe Ihnen doch gesagt, rufen Sie …“
    „Ich konnte es leider nicht, Sir. Ich habe es versucht.“
    „Dann versuchen Sie es noch einmal.“
    „Ich wollte sagen, ich habe keinen Termin bekommen, Mr. Taggart.“
    „Warum nicht?“
    „Er hat abgelehnt.“
    „Wollen Sie damit sagen, dass er sich geweigert hat, mich zu treffen?“
    „Ja, Sir, das wollte ich damit sagen.“
    „Er will mich nicht treffen?“
    „Nein, Sir, er will nicht.“
    „Haben Sie mit ihm persönlich gesprochen?“
    „Nein, Sir, mit seinem Sekretär.“
    „Was hat er gesagt? Was genau?“ Der junge Mann zögerte einen Moment und sah dabei noch unglücklicher aus als zuvor. „Was hat er gesagt?“
    „Er hat gesagt, dass Señor d’Anconia gesagt hat, sie langweilten ihn, Mr. Taggart.“
    *
    Der Vorschlag, den sie verabschiedet hatten, war unter dem Namen „Anti-Wettbewerb-Abkommen“ bekannt. Als sie dafür stimmten, saßen die Mitglieder der Nationalen Eisenbahnvereinigung in der zunehmenden Dämmerung eines spätherbstlichen Abends in einem großen Saal und vermieden, sich gegenseitig anzusehen.
    Die Nationale Eisenbahnvereinigung war eine Organisation, die, so wurde behauptet, geschaffen worden war, um das Wohlergehen der Eisenbahnbranche zu schützen. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass man Methoden der Zusammenarbeit für einen gemeinsamen Zweck entwickelte, und dieser Zweck sollte wiederum durch die Verpflichtung aller Mitglieder, ihre eigenen Interessen jenen der Branche als ganzer unterzuordnen, erreicht werden. Die Interessen der Branche als ganzer wurden durch einen Mehrheitsbeschluss ermittelt, und jedes Mitglied verpflichtete sich, jede Entscheidung, die die Mehrheit gefällt hatte, zu respektieren.
    „Mitglieder desselben Berufsstandes oder derselben Branche sollten zusammenhalten“, hatten die Initiatoren der Vereinigung gesagt. „Wir alle haben die gleichen Probleme, die gleichen Interessen, die gleichen Feinde. Wir verschwenden unsere Energie damit, uns gegenseitig zu bekämpfen, statt der Welt gemeinsam die Stirn zu bieten. Wir können alle gemeinsam wachsen und florieren, wenn wir nur unsere Bemühungen konzentrieren.“ „Gegen wen richtet sich diese Vereinigung?“, hatte ein Skeptiker gefragt. Die Antwort war: „Sie ist nicht ‚gegen‘ jemanden. Aber wenn Sie es so auslegen möchten, dann ist sie gegen Spediteure und Zulieferbetriebe gerichtet und gegen alle, die versuchen könnten, uns auszunutzen. Gegen wen richtet sich jede Art von Zusammenschluss?“ „Das ist genau das, was ich mich frage“, hatte der Skeptiker gesagt.
    Als das Anti-Wettbewerb-Abkommen bei der Jahresversammlung der Nationalen Eisenbahnvereinigung dem Plenum zur Wahl vorgelegt wurde, war es die erste öffentliche Erwähnung dieses Abkommens. Doch alle Mitglieder hatten bereits davon gehört. Über eine lange Zeit war darüber privat diskutiert worden, und besonders heftig in den letzten Monaten. Die Männer, die in dem großen Versammlungssaal saßen, waren die Präsidenten der Eisenbahngesellschaften. Allesamt mochten sie das Anti-Wettbewerb-Abkommen nicht und hatten gehofft, es würde niemals vorgeschlagen werden. Doch als es vorgeschlagen wurde, stimmten alle dafür.
    Keine der Eisenbahngesellschaften wurde in den Ansprachen, die der Wahl vorangingen, namentlich erwähnt. Die Ansprachen befassten sich ausschließlich mit dem Gemeinwohl. Man sagte, das Gemeinwohl werde von Transportengpässen bedroht, während sich die Eisenbahngesellschaften gegenseitig durch einen mörderischen Wettbewerb zerstörten, durch „die brutale Wettbewerbspolitik“. Während es verödete Gegenden gebe, in denen alle Zugverbindungen eingestellt worden waren, existierten gleichzeitig große Gebiete, in denen sich zwei oder mehr

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