Der Streik
Menschen, die nichts Unverdientes begehren und sich nicht gegenseitig mit der Gier eines Kannibalen beäugen, Menschen, die Opfer weder darbringen noch annehmen.
Das Symbol aller Verhältnisse zwischen solchen Menschen, das moralische Symbol des Respekts gegenüber menschlichen Wesen ist der Händler . Wir, die wir von Werten statt von Plündergut leben, sind Händler, sowohl in der Materie als auch im Geiste. Ein Händler ist ein Mensch, der verdient, was er bekommt, und Unverdientes weder gibt noch annimmt. Ein Händler will weder für sein Versagen belohnt noch für seine Fehler geliebt werden. Ein Händler wirft weder seinen Körper anderen zum Fraß vor, noch schenkt er anderen seine Seele als Almosen. So, wie er nur im Tausch gegen materielle Werte arbeitet, will er auch für seine geistigen Werte – seine Liebe, Freundschaft und Achtung – entlohnt werden und gibt sie nur im Tausch gegen menschliche Tugenden, als Lohn für die eigennützige Freude, die er im Umgang mit Menschen, die er achten kann, verspürt. Die mystischen Parasiten, die durch alle Zeiten hindurch die Händler geschmäht und verachtet, die Bettler und Plünderer aber geehrt haben, kannten den geheimen Beweggrund ihres Hohns: Ein Händler ist das Wesen, das sie fürchten – ein Mensch der Gerechtigkeit.
Ihr wollt wissen, welche moralische Pflicht ich meinen Nächsten schulde? Keine, außer der Pflicht, die ich mir selbst, materiellen Dingen und aller übrigen Existenz schuldig bin: Rationalität. Ich verkehre mit Menschen so, wie meine und ihre Natur es verlangen: mittels der Vernunft. Ich erstrebe und wünsche nur solche Beziehungen zu ihnen, die sie aus freien Stücken eingehen. Ich kann mich nur mit ihrem Verstand auseinandersetzen, und zwar nur in meinem eigenen Interesse, sofern sie erkennen, dass mein Interesse sich mit dem ihrigen deckt. Tun sie das nicht, dann gehe ich keine Beziehung zu ihnen ein; ich lasse Andersdenkende ihrer Wege gehen und weiche selbst nicht von meinem Weg ab. Ich gewinne ausschließlich durch Logik und füge mich ausschließlich der Logik. Ich gebe meine Vernunft nicht preis und verkehre auch nicht mit anderen, die ihre Vernunft preisgeben. Ich verspreche mir keinerlei Vorteile von Narren oder Feiglingen; aus menschlichen Lastern kann ich keinen Nutzen ziehen: aus Dummheit, Unehrlichkeit oder Angst. Der einzige Wert, den Menschen mir bieten können, ist die Arbeit ihres Verstandes. Bin ich mit einem rationalen Menschen uneinig, lasse ich die Wirklichkeit den letzten Schiedsspruch fällen; bin ich im Recht, wird er eines Besseren belehrt; bin ich im Unrecht, werde ich eines Besseren belehrt; einer gewinnt, doch beide profitieren.
Man kann sich über vieles streiten, doch gibt es eine Übeltat, über die sich nicht streiten lässt, eine Tat, die kein Mensch anderen antun, die niemand billigen oder vergeben darf. Solange Menschen den Wunsch hegen zusammenzuleben, darf kein Mensch beginnen – hört ihr mich? niemand darf anfangen –, physische Gewalt gegen andere anzuwenden.
Die Drohung physischer Zerstörung zwischen einen Menschen und seine Wahrnehmung der Wirklichkeit zu stellen, bedeutet, seine Überlebensgrundlage zu negieren und zu lähmen; ihn zu zwingen, seinem eigenen Urteil zuwiderzuhandeln, ist, als zwänge man ihn, seiner eigenen Wahrnehmung zuwiderzuhandeln. Jeder, der – zu welchem Zweck und in welchem Maß auch immer – die Anwendung von Gewalt anzettelt, ist ein Mörder, dessen tödlicher Vorsatz auf mehr zielt als auf einen Mord: dessen Vorsatz die Zerstörung der Lebensfähigkeit eines Menschen ist.
Wagt es nicht, mir zu sagen, euer Verstand habe euch von eurem Recht überzeugt, meinem Verstand Gewalt anzutun. Gewalt und Verstand sind Gegensätze; die Moral hört auf, wo der Einsatz einer Waffe beginnt. Wenn ihr erklärt, Menschen seien irrationale Tiere, die ihr dementsprechend zu behandeln gedenkt, definiert ihr euren eigenen Charakter und könnt keine Billigung durch die Vernunft mehr beanspruchen, wie es kein Befürworter von Widersprüchen kann. Es kann kein ‚Recht‘ geben, die Quelle aller Rechte zu zerstören, das einzige Mittel, Recht von Unrecht zu unterscheiden: den Verstand.
Einen Menschen zu zwingen, seinen eigenen Verstand aufzugeben und euren Willen als Ersatz zu akzeptieren, indem ihr eine Waffe anstelle eines Syllogismus, Schrecken anstelle von Beweisen und den Tod als das letzte Argument verwendet, heißt zu versuchen, im Widerspruch mit der Wirklichkeit zu
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