Der Streik
und träumt davon, diejenigen zu versklaven, die sie geschaffen haben, die Wissenschaftler, Erfinder und Industriellen. Wenn ihr nach der Verstaatlichung der Produktionsmittel ruft, ruft ihr nach der Verstaatlichung des Verstandes. Ich habe meinen Streikenden beigebracht, dass ihr nur eine Antwort verdient: ‚Kommt und holt ihn euch!‘
Ihr erklärt euch außerstande, die Kräfte der unbelebten Materie zu bändigen, und doch wollt ihr den Verstand der Männer bändigen, welche die Großtaten leisten können, denen ihr nicht gewachsen seid. Ihr erklärt euch außerstande, ohne uns zu überleben, und doch wollt ihr uns die Bedingungen unseres Überlebens vorgeben. Ihr erklärt, dass ihr uns braucht, und doch habt ihr die Frechheit zu behaupten, ihr hättet das Recht, uns gewaltsam zu beherrschen – und ihr erwartet, dass wir, die wir uns nicht vor der physischen Natur fürchten, die euch mit Angst und Schrecken erfüllt, uns kleinmütig vor einem dahergelaufenen Flegel ducken, der dank der Wählerstimme, die er euch abgeschwatzt hat, eine Chance sieht, über uns zu gebieten.
Ihr wollt eine Gesellschaftsordnung nach Maßgabe folgender Grundsätze errichten: dass ihr unfähig seid, euer eigenes Leben zu führen, doch fähig, dasjenige anderer zu führen; dass ihr zu einer freiheitlichen Existenz untauglich seid, doch tauglich, unumschränkte Herrscher zu werden; dass eure Intelligenz nicht ausreicht, um damit euren Lebensunterhalt zu bestreiten, doch genügt, um Politiker zu beurteilen und sie in Ämter zu wählen, die ihnen uneingeschränkte Macht über Techniken geben, die ihr nie zu Gesicht bekommen, über Wissenschaften, die ihr nie studiert, über Errungenschaften, von denen ihr keine Ahnung habt, und über die gewaltigen Industrien, in denen ihr, eurer Selbsteinschätzung zufolge, nicht einmal die Stelle eines Hilfsschmierers erfolgreich besetzen könntet.
Dieses Götzenbild eurer kultischen Anbetung der Null, dieses Sinnbild für Ohnmacht – der geborene Abhängige – ist eure Vorstellung vom Menschen und der Wertmaßstab, nach dem ihr eure Seele zu gestalten trachtet. ‚Das ist doch nur allzu menschlich!‘, ruft ihr, um jede Verkommenheit zu rechtfertigen, und ihr schreckt nicht vor der Selbsterniedrigung zurück, mit dem Begriff ‚Mensch‘ den Schwächling, den Narren, den Lumpen, den Lügner, den Versager, den Feigling und den Betrüger zu meinen, aber den Heros, den Denker, den Produzenten, den Erfinder, den Starken, den Zielbewussten, den Reinen aus der Menschheit auszuschließen – als wäre ‚Fühlen‘ menschlich, Denken aber nicht, als wäre Versagen menschlich, Erfolg aber nicht, als wäre Unredlichkeit menschlich, Tugendhaftigkeit aber nicht – als wäre die Prämisse des Todes dem Menschen angemessen, die Prämisse des Lebens aber nicht.
Um uns unserer Ehre und anschließend unseres Reichtums zu berauben, habt ihr uns schon seit jeher als Sklaven betrachtet, denen keine moralische Anerkennung gebührt. Ihr verherrlicht jedes als gemeinnützig bezeichnete Unterfangen, verteufelt aber diejenigen, die das nötige Geld dafür verdienen. Ihr behauptet, jedes Projekt zugunsten derer, die nicht bezahlen, sei ‚im Interesse des Gemeinwohls‘, Dienstleistungen für diejenigen, die bezahlen, seien dagegen nicht im Interesse des Gemeinwohls. Gibt man ein Almosen, handelt man immer ‚im öffentlichen Interesse‘, geht man hingegen einen Handel ein, schadet man der Öffentlichkeit. ‚Gemeinwohl‘ ist das Wohl derjenigen, die es nicht verdienen; diejenigen, die es verdienen, haben keinen Anspruch auf Wohl. ‚Die Öffentlichkeit‘ besteht für euch aus all denen, die es zu keiner Tugend und keinem Wert gebracht haben, während jeder, der diese erlangt hat, der die Güter beschafft, die ihr zum Überleben benötigt, nicht mehr als Teil der Öffentlichkeit oder als Teil der Menschheit betrachtet wird.
Was habt ihr ausgeblendet, um hoffen zu können, dass ihr mit einem solchen Wust von Widersprüchen davonkommen und ihn als Ausgangspunkt für eine ideale Gesellschaft heranziehen könntet, wenn das ‚Nein‘ eurer Opfer ausgereicht hat, um euer gesamtes Gebäude zum Einsturz zu bringen? Was gibt einem unverschämten Bettler das Recht, den ihm Überlegenen seine Blessuren vor die Nase zu halten und sie im drohenden Tonfall um Hilfe anzugehen? Wie er ruft ihr, dass ihr auf unser Mitleid zählt, doch insgeheim hofft ihr auf euren Moralkodex, der euch gelehrt hat, auf unser Schuldgefühl zu zählen.
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