Der Streik
dem Radioempfänger, als der letzte Ton der Stimme Galts verhallte. Niemand hatte sich bewegt, seitdem die Stille eingetreten war; sie hatten wie wartend dagestanden und auf das Radio geblickt. Aber das Radio war nun nichts weiter als ein Holzkasten mit einigen Knöpfen und einem runden Stück Stoff, das über einen leeren Lautsprecher gespannt war.
„Wir scheinen es gehört zu haben“, sagte Tinky Holloway.
„Wir konnten es nicht verhindern“, sagte Chick Morrison.
Mr. Thompson saß auf einer Lattenkiste. Der blasse längliche Fleck auf Höhe seines Ellbogens war das Gesicht von Wesley Mouch, der auf dem Boden saß. In einiger Entfernung hinter ihnen stand wie eine Insel im ausgedehnten Halbdunkel des Rundfunkstudios das verlassene, aber hell erleuchtete Empfangszimmer, das für ihre Sendung vorbereitet worden war, ein Halbkreis von leeren Lehnstühlen unter einem Spinnennetz toter Mikrofone im grellen Licht der Scheinwerfer, die auszuschalten sich niemand hatte entschließen können.
Mr. Thompsons Augen huschten über die Gesichter um ihn herum, als suchten sie nach irgendeinem besonderen Ausdruck, den nur er kannte. Alle Übrigen taten verstohlen dasselbe; jeder versuchte, einen Blick auf die anderen zu erhaschen, ohne dabei die eigene Miene erkennen zu lassen.
„Lasst mich hier raus!“, schrie plötzlich ein untergeordneter Gehilfe, ohne sich an jemand Bestimmten zu wenden.
„Rühren Sie sich nicht vom Fleck!“, fuhr Mr. Thompson ihn an.
Der Klang seines eigenen Befehls und das unterdrückte Stöhnen der Gestalt, die irgendwo im Dunkeln erstarrte, schienen ihm wieder ein vertrautes Bild der Wirklichkeit zu vermitteln. Sein Kopf hob sich einen Fingerbreit.
„Wer hat das zugel…“, begann er mit lauter werdender Stimme, hielt jedoch inne; was ihm entgegenschlug, war die gefährliche Panik einer in die Ecke getriebenen Menge. Stattdessen fragte er: „Was halten Sie davon?“ Niemand antwortete. „Nun?“ Er wartete. „Nun sagen Sie doch etwas, irgendjemand!“
„Wir müssen es doch nicht glauben, oder?“, schrie James Taggart, indem er sein Gesicht Mr. Thompson fast drohend entgegenreckte. „Oder?“ Taggarts Gesicht war entstellt. Seine Züge wirkten formlos; ein Schnurrbart aus Schweißtröpfchen glitzerte zwischen seiner Nase und seinem Mund.
„Halten Sie den Mund“, sagte Mr. Thompson unsicher und rückte ein wenig von ihm ab.
„Wir müssen es nicht glauben!“ Taggarts Stimme klang flach und eindringlich, als versuchte er, einen Trancezustand aufrechtzuerhalten. „Das hat bisher noch niemand gesagt! Er steht allein da! Wir müssen es nicht glauben!“
„Beruhigen Sie sich“, sagte Mr. Thompson.
„Wie kann er sich seiner Sache so sicher sein? Wer ist er denn, dass er sich gegen die ganze Welt stellen kann, gegen alles, was über Jahrhunderte hinweg gesagt worden ist? Woher will er das wissen? Niemand kann sich sicher sein! Niemand kann wissen, was richtig ist! Es gibt kein Richtig!“
„Seien Sie still!“, brüllte Mr. Thompson. „Was wollen Sie damit …“
Der Lärm, der ihn unterbrach, war ein Militärmarsch, der plötzlich aus dem Radioapparat schmetterte – der Militärmarsch, der vor drei Stunden unterbrochen worden war und jetzt mit dem vertrauten Krächzen einer Studioaufnahme weitergespielt wurde. Sie brauchten einige Sekunden, um ihre Verblüffung zu überwinden und zu begreifen, was geschah. Währenddessen hämmerten die vergnügten Töne im Stechschritt durch die Stille, so grotesk und unpassend wie das Gelächter eines Schwachsinnigen. Der Programmleiter gehorchte blindlings der Regel, dass es in der Sendezeit keine Lücke geben durfte.
„Sagen Sie ihnen, sie sollen damit aufhören!“, schrie Wesley Mouch und sprang auf. „Sonst glaubt die Öffentlichkeit noch, wir hätten die Rede autorisiert!“
„Sie verdammter Dummkopf!“, schrie Mr. Thompson. „Wäre es Ihnen etwa lieber, die Öffentlichkeit würde glauben, wir hätten sie nicht autorisiert?“
Mouch stutzte kurz und warf Mr. Thompson den anerkennenden Blick zu, mit dem ein Amateur einen Meister ansieht.
„Senden Sie weiter wie gewohnt!“, befahl Mr. Thompson. „Sagen Sie ihnen, sie sollen mit dem für diese Zeit vorgesehenen Programm fortfahren! Keine besonderen Ansagen, keine Erklärungen! Sagen Sie ihnen, sie sollen weitermachen, als wäre nichts geschehen!“
Ein halbes Dutzend Mitarbeiter des Gemeinschaftsgeistbeauftragten Chick Morrison hastete davon, um zu
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