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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Ich möchte keine Zeit mehr mit Leuten vergeuden, die Ihnen gegen den Strich gehen. … Aber … aber wenn auch Miss Taggart nicht die Richtige ist, dann weiß ich nicht, wen ich noch wählen soll. … Wenn … wenn ich nur jemanden finden könnte, dessen Meinung Sie achten oder …“
    „Ich habe meine Meinung geändert“, sagte Galt. „Es gibt jemanden, mit dem ich gerne sprechen würde.“
    „Wen?“, rief Mr. Thompson begierig.
    „Dr. Robert Stadler.“
    Mr. Thompson gab einen langen Pfiff von sich und schüttelte besorgt den Kopf. „Der ist kein Freund von Ihnen“, sagte er in aufrichtig warnendem Ton.
    „Er ist derjenige, den ich treffen möchte.“
    „Na gut, wenn Sie es wollen. Wenn Sie es sagen. Was immer Sie wollen. Ich lasse ihn morgen früh hier erscheinen.“
    An jenem Abend blickte Mr. Thompson, als er mit Wesley Mouch in seiner Suite speiste, grimmig auf das Glas Tomatensaft, das ihm vorgesetzt wurde. „Wie? Kein Grapefruitsaft?“, fauchte er. Sein Arzt hatte ihm Grapefruitsaft zum Schutz gegen eine Erkältungswelle verordnet.
    „Kein Grapefruitsaft“, sagte der Kellner mit eigenartigem Nachdruck.
    „Das liegt daran“, sagte Mouch missmutig, „dass eine Räuberbande an der Taggart Bridge über dem Mississippi einen Zug überfallen hat. Sie haben die Gleise in die Luft gesprengt und die Brücke beschädigt. Nichts Ernsthaftes. Sie wird repariert, aber der gesamte Verkehr ist aufgrund dessen verspätet, und für Züge aus Arizona gibt es kein Durchkommen.“
    „Das ist doch lächerlich! Gibt es denn keine anderen …?“ Mr. Thompson sprach nicht weiter; er wusste, dass es keine anderen Eisenbahnbrücken über den Mississippi gab. Nach einer Weile sagte er mit lauter und abgehackter Stimme: „Entsenden Sie Militäreinheiten zum Schutz der Brücke. Sie sollen sie Tag und Nacht bewachen. Man soll dafür die besten Männer aussuchen. Wenn dieser Brücke etwas passiert …“
    Er sprach nicht zu Ende. Er saß zusammengekauert da und starrte auf die teuren Porzellanteller und die delikate Vorspeise vor ihm. Der Mangel an einem so alltäglichen Lebensmittel wie Grapefruitsaft hatte ihm plötzlich und zum ersten Mal bewusst gemacht, wie es um die Stadt New York bestellt wäre, wenn es die Taggart Bridge nicht mehr gäbe.
    „Dagny“, sagte Eddie Willers an jenem Abend, „die Brücke ist nicht das einzige Problem.“ Er knipste ihre Schreibtischlampe an. Sie hatte bei Einbruch der Dämmerung versäumt, sie einzuschalten, weil sie sich gezwungen hatte, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. „Keine transkontinentalen Züge können San Francisco verlassen. Eine der bewaffneten Splittergruppen vor Ort – ich weiß nicht, welche – hat unseren Terminal besetzt und erhebt nun eine ‚Ausreisegebühr‘ für Züge. Das heißt, sie verlangt ein Lösegeld für unsere Züge. Der Leiter des Terminals hat gekündigt. Nun weiß dort niemand, was zu tun ist.“
    „Ich kann New York nicht verlassen“, antwortete sie hart.
    „Ich weiß“, sagte er sanft. „Deshalb werde ich hingehen, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Oder doch zumindest, um jemanden zu finden, den wir als Leiter einsetzen können.“
    „Nein! Ich will nicht, dass du hingehst. Es ist zu gefährlich. Und wozu auch? Es spielt keine Rolle mehr. Es gibt nichts mehr zu retten.“
    „Es ist immer noch die Taggart Transcontinental. Ich werde ihr treu bleiben, Dagny. Du wirst, wohin du auch gehst, immer in der Lage sein, eine Eisenbahn zu gründen. Ich nicht. Ich möchte nicht einmal einen Neuanfang wagen. Jetzt nicht mehr. Nicht nach allem, was ich gesehen habe. Du solltest es tun. Ich kann es nicht. Lass mich tun, was ich kann.“
    „Eddie! Willst du denn nicht …“ Sie schwieg, denn sie wusste, dass es keinen Zweck hatte.
    „Also gut, Eddie. Wenn du willst.“
    „Ich fliege heute Abend nach Kalifornien. Ich habe mir einen Sitzplatz in einem Militärflugzeug gesichert. … Ich weiß, dass du gehen wirst, sobald … sobald du New York verlassen kannst. Möglicherweise wirst du schon weg sein, wenn ich zurückkomme. Gehe nur, sobald du so weit bist. Mach dir um mich keine Sorgen. Warte nicht, um es mir zu sagen. Geh, sobald du kannst. Ich … Ich werde mich schon jetzt von dir verabschieden.“
    Sie stand auf. Sie standen einander im Halbdunkel des Büros gegenüber, das Bild Nathaniel Taggarts hing zwischen ihnen an der Wand. Beide blickten auf die Jahre zurück, die seit jenem fernen Tag vergangen waren, an dem sie gelernt

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