Der Streik
lassen!“
„Lassen Sie die Waffen fallen“, sagte Rearden.
Die sieben Wachleute standen einen Augenblick lang wie erstarrt da und gehorchten weder dem einen noch dem anderen.
„Lasst mich hier raus!“, rief der jüngste, indem er zur rechten Tür stürzte.
Er warf die Tür auf und sprang zurück: Dagny Taggart stand mit einer Pistole in der Hand auf der Türschwelle.
Die Wachleute zogen sich langsam in die Mitte des Raums zurück und fochten im Nebel ihres Verstandes einen unsichtbaren Kampf aus. Ein Gefühl von Unwirklichkeit angesichts der legendären Gestalten, denen sie nie im Leben zu begegnen erwartet hatten, schüchterte sie ein. Ihnen war beinahe zumute, als wäre ihnen befohlen worden, auf Gespenster zu schießen.
„Lassen Sie die Waffen fallen“, sagte Rearden. „Sie wissen nicht, wozu Sie hier sind. Wir schon. Sie wissen nicht, wer Ihr Gefangener ist. Wir schon. Sie wissen nicht, weshalb Ihre Bosse von Ihnen verlangen, ihn zu bewachen. Wir wissen, weshalb wir ihn herausholen wollen. Sie wissen nicht, wofür Sie kämpfen. Wir kennen den Zweck unseres Kampfes. Wenn Sie sterben, werden Sie nicht wissen, wofür. Wenn wir sterben, werden wir es wissen.“
„Hört … hört nicht auf ihn!“, fauchte der Chef. „Schießt! Ich befehle euch zu schießen!“
Einer der Wachleute schaute den Chef an, ließ die Waffe fallen, erhob die Hände, zog sich aus der Gruppe zurück und näherte sich Rearden.
„Verdammter Mistkerl!“, brüllte der Chef, griff mit der linken Hand nach einer Pistole und schoss auf den Überläufer.
Im selben Augenblick, in dem der Mann zu Boden fiel, zersprang die Fensterscheibe in unzählige Splitter – und die große, schlanke Gestalt eines Mannes flog vom Ast eines Baumes aus ins Zimmer, als hätte man sie hereinkatapultiert, landete auf den Füßen und schoss auf den erstbesten Wachmann.
„Wer sind Sie ?“, schrie eine vor Entsetzen heisere Stimme.
„Ragnar Danneskjöld.“
Daraufhin waren drei Geräusche zu hören: ein langes, lauter werdendes erschrockenes Stöhnen, das Poltern von vier Schusswaffen, die zu Boden fielen, und ein Schuss, der aus der fünften Waffe auf die Stirn des Chefs abgegeben wurde.
Bis vier der Überlebenden der Wachtruppe ihre Sinne wieder beisammen hatten, lagen sie bereits ausgestreckt, gefesselt und geknebelt auf dem Boden. Der fünfte stand noch, die Hände auf dem Rücken gefesselt.
„Wo ist der Gefangene?“, fragte Francisco ihn.
„Im Keller … nehme ich an.“
„Wer hat den Schlüssel?“
„Dr. Ferris.“
„Wo ist die Kellertreppe?“
„Hinter einer Tür im Büro von Dr. Ferris.“
„Führen Sie uns hin.“
Als sie aufbrachen, wandte sich Francisco an Rearden. „Ist alles in Ordnung, Hank?“
„Sicher.“
„Möchtest du dich hinlegen?“
„Zum Teufel, nein!“
Von der Schwelle einer Tür in Ferris’ Büro aus blickten sie eine steile Steintreppe hinab und sahen unten auf dem Treppenabsatz einen Wachposten stehen.
„Kommen Sie mit erhobenen Händen herauf!“, befahl Francisco.
Der Wachposten sah die Umrisse eines resoluten Fremden und das Aufblitzen einer Pistole; das genügte ihm. Er gehorchte sofort; er schien erleichtert zu sein, der feuchten Steingruft zu entkommen. Zusammen mit dem Wächter, der sie zur Treppe geführt hatte, wurde er gefesselt auf dem Fußboden des Büros zurückgelassen.
Dann stand den vier Befreiern nichts mehr im Weg. Sie rannten die Treppe hinab zu der verschlossenen Stahltür. Sie hatten bei jedem Schritt und jeder Bewegung Disziplin und Präzision walten lassen. Jetzt waren sie wie entfesselt.
Danneskjöld hatte das nötige Werkzeug dabei, um das Schloss aufzubrechen. Francisco betrat als Erster den Keller, und für den Bruchteil einer Sekunde versperrte er Dagny mit dem Arm den Weg – um sich zu vergewissern, dass sich ihr kein unerträglicher Anblick bieten würde –, dann ließ er sie an sich vorbeieilen: Er hatte gesehen, wie Galt hinter dem Gewirr von Elektrokabeln den Kopf hob und ihn mit einem Blick grüßte.
Sie fiel neben der Matratze auf die Knie. Galt blickte zu ihr auf, wie er sie an jenem ersten Morgen im Tal angeblickt hatte. Sein Lächeln war wie ein von jeglichem Schmerz ungetrübtes Lachen, als er mit leiser und tiefer Stimme fragte: „Wir hätten nichts davon jemals ernst nehmen müssen, nicht wahr?“
Tränen strömten ihr übers Gesicht, aber ihr Lächeln offenbarte eine vollkommene, zuversichtliche und strahlende Gewissheit, und sie antwortete:
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