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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Begriff, sich seinen Begleitern zuzuwenden, als der Wächter ihn eindringlich bat: „Mister, darf ich Sie etwas fragen?“
    „Bitte.“
    „Wer sind Sie?“
    Er antwortete so feierlich wie bei einer offiziellen Vorstellung in einem Salon: „Francisco Domingo Carlos Andrés Sebastián d’Anconia.“
    Er ließ den staunenden Wächter stehen und wandte sich seinen Begleitern zu, um sich flüsternd mit ihnen zu beratschlagen.
    Im nächsten Augenblick stieg Rearden die Treppen hinauf – flink, geräuschlos und allein.
    Entlang der Wände des Labors waren Käfige mit Ratten und Meerschweinchen aufgestapelt. Die Wachposten hatten sie dorthin gestellt, um auf dem langen Labortisch in der Mitte des Raums Poker spielen zu können. Sechs der Wächter spielten, zwei standen in gegenüberliegenden Ecken und behielten mit der Pistole in der Hand die Eingangstür im Blick. Es war Reardens Gesicht, das ihn davor bewahrte, sofort erschossen zu werden, als er eintrat: Es war zu bekannt und unerwartet. Er sah sich acht Männern gegenüber, die ihn anstarrten, ihn erkannten und ihren Augen nicht trauten.
    Er stand mit den Händen in den Hosentaschen in der lässigen, selbstbewussten Art eines Geschäftsmannes an der Tür.
    „Wer hat hier das Sagen?“, fragte er im höflich unvermittelten Tonfall eines Mannes, der keine Zeit verschwendet.
    „Sie … Sie sind doch nicht etwa …“, stotterte ein schlaksiger, mürrischer Kerl am Kartentisch.
    „Ich bin Hank Rearden. Sind Sie der Chef?“
    „Ja! Aber wo zum Teufel kommen Sie her?“
    „Aus New York.“
    „Was machen Sie hier?“
    „Dann hat man Sie also nicht benachrichtigt?“
    „Hätte ich … Ich meine, worüber ?“ Dem Mann war anzuhören, dass er einen Augenblick lang gekränkt und aufgebracht argwöhnte, seine Vorgesetzten hätten ihn übergangen. Er war ein großer, ausgemergelter Bursche mit fahrigen Bewegungen, einem fahlen Gesicht und dem ruhelosen, verschwommenen Blick eines Drogenabhängigen.
    „Über die Angelegenheit, die ich hier zu erledigen habe.“
    „Sie … können hier nichts zu erledigen haben“, schnauzte er, hin- und hergerissen zwischen der Angst, auf einen Bluff hereinzufallen, und der Angst, über irgendeine wichtige Entscheidung auf höchster Ebene nicht informiert worden zu sein. „Sind Sie nicht ein Verräter, ein Fahnenflüchtiger und ein …“
    „Wie ich sehe, sind Sie nicht auf dem Laufenden, guter Mann.“
    Die sieben anderen, die sich im Raum befanden, starrten Rearden mit ehrfürchtiger, abergläubischer Unsicherheit an. Die beiden mit den Pistolen hielten sie teilnahmslos wie Roboter immer noch auf ihn gerichtet. Er schien ihnen keine Beachtung zu schenken.
    „Was für eine Angelegenheit haben Sie denn Ihrer Behauptung nach hier zu erledigen?“, fragte der Chef ihn barsch.
    „Ich komme, um den Gefangenen in Empfang zu nehmen, den Sie mir übergeben sollen.“
    „Hätte das Oberkommando Sie beauftragt, dann wüssten Sie, dass irgendein Gefangener mich nichts angeht – und dass niemand ihn anzurühren hat!“
    „Außer mir.“
    Der Chef sprang auf, stürzte an ein Telefon und griff nach dem Hörer. Er hatte ihn noch nicht halb zum Ohr geführt, als er mit einer Bewegung, die eine panische Stimmung im Raum auslöste, jäh wieder auflegte: Er hatte Zeit genug gehabt zu hören, dass die Leitung tot, und zu begreifen, dass sie durchtrennt worden war.
    Der vorwurfsvolle Blick, den er Rearden zuwarf, als er sich rasch wieder zu ihm umdrehte, brach sich an dem leicht verächtlichen Tadel in Reardens Stimme: „Offenbar sind Sie nicht in der Lage, ein Gebäude zu bewachen, wenn Sie das haben geschehen lassen. Liefern Sie mir lieber den Gefangenen aus, ehe ihm noch etwas zustößt, sonst erstatte ich nicht nur über Ihren Ungehorsam Meldung, sondern auch über Ihre Fahrlässigkeit.“
    Der Chef ließ sich schwerfällig wieder auf seinen Stuhl fallen, sackte nach vorn auf dem Tisch zusammen und schaute mit einem Blick zu Rearden auf, der seinem ausgemergelten Gesicht Ähnlichkeit mit dem der Tiere verlieh, die in ihren Käfigen unruhig zu werden begannen.
    „ Wer ist der Gefangene?“, fragte er.
    „Guter Mann“, sagte Rearden, „wenn Ihre unmittelbaren Vorgesetzten es nicht für angebracht hielten, Ihnen das zu sagen, werde ich es erst recht nicht tun.“
    „Sie hielten es auch nicht für angebracht, mir zu sagen, dass Sie kommen würden!“, brüllte der Chef mit hilflos zorniger Stimme, deren Zittern seinen Männern seine

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