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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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mit ins Büro brachte.
    »Da waren vorhin ein paar Anrufe für Sie«, sagte Erika Voss, nachdem sie den Lippenstift eingesteckt hatte. »Ein Herr und eine Dame.«
    »Und? Was wollten die?«
    »Haben sie nicht gesagt. Die rufen noch mal an. Ich habe gesagt, dass Sie in wenigen Minuten wieder am Platz sein müssten.«
    Rath setzte sich an seinen Schreibtisch, steckte sich eine Zigarette an und hing seinen Gedanken nach. Wer konnte das sein? Doch noch Geburtstagsgratulanten?
    Der Ausflug in die Personalabteilung hatte sich gelohnt. Es war, wie er vermutet hatte: Brenner haute schwer auf den Putz. Der Arzt musste ein Freund aus Jugendtagen sein oder jemand, der Frank Brenner einen Gefallen schuldig war. Rath überflog noch einmal den Bericht für Doktor Weiß. Den konnte er jetzt schon ins Reine schreiben, nicht mehr nötig, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, bald würde Brenner selbst in Erklärungsnotstand geraten. Rath entschied sich, die Sache selbst zu tippen; ging die Voss nichts an, was er den Häuptlingen mitzuteilen hatte. Er arbeitete so sorgfältig wie möglich, schaute jede Taste zweimal an, bevor er sie anschlug, und war nach einer guten halben Stunde fertig. Las sich ganz gut; soweit er das sehen konnte, hatte er sich wirklich kein einziges Mal vertippt. Er legte die Durchschläge beiseite, faltete die Blätter und steckte sie in einen Umschlag, den er sorgfältig zuklebte. Zufrieden zündete Rath sich eine Zigarette an. Dann rief er die Voss und schickte sie mit dem Brief in die Chefetage.
    Kaum war die Sekretärin durch die Tür, klingelte das Telefon. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Kommissar«, sagte eine Frauenstimme. Rath hätte sich beinah am Zigarettenrauch verschluckt.
    »Verzeih, dass ich nicht singe«, sagte die Stimme, »aber das gehörte noch nie zu meinen Stärken.«
    Er wusste noch immer nicht, was er antworten sollte. Glücklicherweise sprach sie weiter.
    »Heute schon in deinen Schreibtisch geschaut? Kleiner Tipp: unterste Schublade.«
    Rath klemmte den Hörer mit der Schulter fest und schaute nach.
    Ganz oben in der Schublade lag ein hübsch eingewickeltes Paket, quadratisch, flach und mit Schleife.
    »Hat's dir die Sprache verschlagen?«
    Er musste sich räuspern, bevor er die ersten Worte herausbrachte.
    »Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Du warst in meinem Büro?«
    »Heute Mittag. Aber du warst leider ausgeflogen. Hast du schon ausgepackt? «
    »Kleinen Moment.« Er löste die Schleife und legte eine Schallplatte frei. Ein amerikanischer Import, erst vor einem halben Jahr eingespielt.
    »Ich fass es nicht. Wie bist du denn daran gekommen?« »In Berlin bekommt man eine ganze Menge.«
    »Wusste gar nicht, dass du meinen Musikgeschmack so gut kennst.«
    »Ich kenne eine ganze Menge von dir. Wir haben öfter mal zusammen Musik gehört. Schon vergessen?«
    Natürlich nicht. Er hatte nichts vergessen, gar nichts. So sehr er es auch versucht hatte.
    »Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht gesehen«, sagte er und merkte im selben Augenblick, wie platt das war. Und noch dazu gelogen.
    »Sonnabend im Resi hat nicht viel dazu gefehlt.« »Wie?«
    »Das warst doch du, der Brenner auf die Bretter geschickt hat, oder?«
    »Hat sich das schon bis zu dir rumgesprochen?«
    »Ich hab Brenner nur am Boden liegen sehen und später gehört, dass du das gewesen sein sollst. Kann es sein, dass du eine Hauptmannsuniform getragen hast? Dann habe ich dich sogar gesehen.« »Tja, was soll ich sagen? Schuldig in allen Punkten, Euer Ehren.
    Sogar in Sachen Hauptmannsuniform.«
    »Ich habe dich bislang nicht zu den Leuten gezählt, die sich auf Faschingspartys prügeln.«
    »Ich mich auch nicht. Aber Brenner hätte ich zur Not auch auf einer Weihnachtsfeier oder auf einer Beerdigung ein paar verpasst.« Ihre Stimme klang plötzlich ernster als zuvor. »Warum zum Teufel hast du das gemacht? Hat er dich beleidigt? Deine Männerehre gekränkt oder irgend so einen Blödsinn?«
    Eher beiß ich mir auf die Zunge, als dass ich dir die Wahrheit sage, Charly.
    »Kann man nicht erklären«, sagte er. »Das Arschloch hat eben förmlich darum gebettelt.«
    »Es gibt wahrscheinlich wenige, die so dringend was auf die Nase verdient haben wie Frank Brenner«, sagte sie, »aber du kannst nicht einfach einen Kollegen zusammenschlagen.«
    »Das haben Gennat und Weiß auch gesagt.« »Die Sache ist schon beim Vipoprä?«
    »Zörgiebel hätte vielleicht mehr Verständnis für mich auf-
    gebracht, aber

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