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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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der ist leider in Urlaub.«
    »Du solltest deine Wut besser im Griff haben, Gereon.« »Ich hab einfach zu viel davon.«
    Es sollte scherzhaft klingen, aber die Worte gaben mehr von seinem Zustand preis, als er eigentlich wollte.
    »Wie geht's dir?«, fragte er schnell, um von sich abzulenken, und während er diese harmlose Floskel aussprach, merkte er, wie sehr sie ihm immer noch naheging. Für ihn waren diese drei Worte keine Floskel, es war ihm alles andere als gleichgültig, wie es ihr ging.
    Aber das Ablenkungsmanöver funktionierte, Charly erzählte von sich. Und sie hatte eine ganze Menge zu erzählen, von Prüfungen, langen Stunden in der Bibliothek, dem Neid und dem Unverständnis der männlichen Kommilitonen. »In der juristischen Fakultät überwiegen leider die reaktionären Dumpfbacken«, sagte sie. »Und diese Affen sollen künftig unseren Rechtsstaat repräsentieren! Gute Nacht, Deutschland! Ich möchte nicht wissen, wie viele meiner Kommilitonen Nazis sind!«
    »Nazi zu sein ist in Mode«, sagte Rath, »aber was soll's - die Moden kommen und gehen. «
    »Nur dass Politik leider etwas Wichtigeres ist als ein neues Schnittmuster auf einem Laufsteg.«
    Sie schwieg.
    »Ich würde dich gern mal wiedersehen, Gereon «, sagte sie schließlich. Es klang fast zärtlich. Wenigstens in seinen Ohren. Vielleicht wünschte er sich das auch nur. Da war ein kleines Hündchen in ihm drin, das schon beim Klang ihrer Stimme, bei der geringsten Freundlichkeit, die von ihr ausging, schwanzwedelnd angelaufen kam, bereit, jeden Wunsch von Frauchen zu erfüllen, sich komplett zu erniedrigen. Er hasste dieses Hündchen und verscheuchte es mit ein paar Erinnerungen an ihren letzten Streit. Der war heftig gewesen. Sie hätte ihm fast eine geknallt, das hatte er in ihren Augen gesehen. Dann hatte sie doch nur mit ihrer kleinen Faust auf den Tisch gehauen, hatte sich umgedreht und war gegangen. Das war schon eine Weile her, einige Wochen vor Weihnachten. Seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen. Bis zum Faschingsball im Resi.
    Er versuchte ein zwangloses Lachen, das halbwegs glückte. »Wenn du mir garantieren kannst, dass das dann am Ende nicht wieder in Streit ausartet.«
    »Weißt du was, Gereon? Mit dir streite ich mich immer noch am liebsten.«
    Er war kaum ansprechbar, als er wieder aufgelegt hatte. Dass die Voss seinen Bericht bei Weiß abgeliefert und sich zurückgemeldet hatte, bekam er nur am Rande mit, auch das, was die Sekretärin sagte. Aber offensichtlich antwortete er zu ihrer Zufriedenheit, sie schloss die Tür und ließ ihn wieder in Ruhe. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, dachte die ganze Zeit nur an Charly.
    Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sie sich wieder bei ihm melden würde. Und nun hatten sie sogar eine Verabredung.
    Erst das Telefon riss ihn aus seinen Gedanken. »Rath, Kriminalpolizei.«
    »Hier ebenfalls.«
    So meldete sich nur einer am Telefon.
    »Herzlichen Glückwunsch, mein Junge«, sagte Engelbert Rath. »Hoffe, ich störe nicht.«
    »Nur geringfügig.«
    »Wollte dir nur gratulieren, auch im Namen von Mutter. Du weißt ja, sie telefoniert nicht gern.«
    »Danke.«
    »Wie sieht's denn aus bei dir in Berlin? Karl erzählt, die Kommunisten machen wieder Ärger?«
    Kar!. Natürlich. Mit dem Berliner Polizeipräsidenten Karl Zörgiebel, den er noch aus Kölner Zeiten kannte, telefonierte Kriminaldirektor Engelbert Rath häufiger und ausgiebiger als mit seinem Sohn.
    »Die Dörrzwiebel ist schon wieder zurück aus Mainz?«, sagte Gereon. »Ist hier in der Burg noch gar nicht aufgefallen.«
    »Lass doch diesen unsäglichen Spitznamen!«
    »Die Kommunisten haben meines Wissens nur zu einer Arbeitslosendemonstration aufgerufen. Und Zörgiebel hat's mal wieder verboten. Scheint auch nicht schlauer zu werden. Nach den vielen Toten letztes Jahr.«
    Damals hatte die Polizei auf Zörgiebels Geheiß mit aller Gewalt das Verbot der Maidemonstrationen durchsetzen sollen. Die Bilanz: über dreißig Tote.
    »Karl weiß schon, was er tut! Gegen die Kommunisten muss man rechtzeitig angehen!«
    »Und alles auf dem Rücken der Polizei. Das ist nicht unsere Aufgabe.«
    »Lassen wir die Politik, meinte Engelbert Rath, »ich möchte mich nicht mit dir streiten. Wie sieht's denn sonst so aus bei dir? Schon weitergekommen?«
    »Wie?«
    »Schon eine Spur? Hast du dir die Fabrik schon mal angeschaut?«
    »Noch keine Zeit gehabt«, sagte Rath. »Zu viel um die Ohren.
    Ohne Namensliste kann ich

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