Der stumme Tod
Franck verschwunden ist?«
"Seltsam, nicht wahr? Man erzählt sich so einiges.«
»Was erzählt man sich? Und wer?«
»In der Branche halt.« Heyer zuckte die Achseln. »Es heißt, die Franck wolle Oppenberg verlassen und den Produzenten wechseln, einige sagen sogar, sie wechselt die Atlantikseite.«
»Wie?«
»Amerika. Sie geht nach Hollywood.« »Kann sie denn gut genug Englisch?«
»Keine Ahnung.« Der Autor zuckte die Achseln. »Wenn die sie haben wollen, wird sie wohl gut genug sprechen. Anders als Jannings, dem sie noch einen Preis hinterhergeworfen und dann nach Hause geschickt haben.«
»Der große Jannings ein Opfer des Tonfilms?«
»Wenn Sie so wollen. Bald wird man ja sehen, ob sich der beste Schauspieler Hollywoods wenigstens in der Heimat behaupten kann. Der neue Jannings-Film soll bald rauskommen.«
»Ich weiß«, sagte Rath. »Wenn Vivian Franck wirklich in Hollywood sein sollte, warum weiß dann niemand davon?«
»Sie muss es ja nicht jedem auf die Nase binden. Wenn sie groß rauskommt, werden es sowieso bald alle erfahren. Und wenn sie eine Bauchlandung hinlegt ... Wer weiß, welche Geschichte sie dann erzählt ... «
»Halten Sie es nicht für möglich, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte? Hatte sie denn keine Feinde? Leute, die ihr schaden wollen, ihr womöglich nach dem Leben trachten?«
»Das ist ein bisschen hoch gehängt. Nach dem Leben trachtet ihr keiner, auch wenn sie eine verwöhnte Göre ist und ihre Umgebung schon mal drangsaliert. Aber da ist sie nicht die Einzige in diesem Geschäft. «
»Wenn Sie Vivian Franck finden müssten, wo würden Sie dann suchen?«
»Ich?« Heyer überlegte nur kurz. »Ich würde eine Überfahrt auf der Bremen buchen.«
Kapitel 28
Erika Voss hatte gute Nachrichten.
»Meine Schwester hilft Ihnen, Herr Kommissar. Aber sie sagt, dann hat sie noch was gut bei Ihnen.«
»Ich zeige mich immer erkenntlich, wenn man mir einen Gefallen tut, das wissen Sie doch.«
»Naja«, machte die Sekretärin, grinste ihn dabei aber an. »Gehen Sie einfach hoch in die dritte Etage und geben Franzi das Buch zurück, das sie Ihnen geliehen hat. Und schauen Sie bei der Gelegenheit in die offene Akte, die auf ihrem Schreibtisch liegt.«
Sie drückte ihm eine alte zerlesene Schwarte in die Hand. Ein Kriminalroman.
»Sie sollten zum Geheimdienst gehen, Fräulein Voss, Sie haben ja richtiggehend konspirative Qualitäten.«
»Die stelle ich auch gerne Ihnen zur Verfügung, Herr Kommissar.
Wenn sie denn gebraucht werden.«
Das Büro von Franziska Voss war leicht zu finden. Sie trug die gleichen blonden Fransen in der Stirn wie ihre jüngere Schwester, sah nur ein wenig fülliger aus. Am anderen Schreibtisch saß eine missgelaunte alte Schachtel, die durch ihre Brille auf ein in die Schreibmaschine gespanntes Blatt Papier starrte, als wolle sie Löcher dort hineinbrennen.
»Ah, Herr Kommissar«, sagte Franziska Voss. Entweder hatte sie sich sein Foto in der Personalakte angeschaut oder ihre Schwester hatte ihn gut beschrieben. » Das ist aber lieb. Hat es Ihnen denn gefallen?«
»Sehr spannend«, sagte er und reichte ihr das Buch. Sie stand auf und öffnete einen Schrank.
»Warten Sie doch einen Moment«, sagte sie, »ich habe noch etwas für Sie.« Sie holte eine Tasche aus dem Schrank und begann in ihr zu wühlen. »Irgendwo muss es doch sein«, hörte er sie murmeln, während sie nach und nach den kompletten Inhalt der Tasche aus- und wieder einpackte. Rath nutzte die Zeit und ließ seinen Blick auf den Aktenordner fallen, der aufgeschlagen auf ihrem Schreibtisch lag, obenauf ein ärztliches Formular, das Kriminalkommissar Frank Brenner eine Reihe schlimmer Verletzungen attestierte. Der Arzt hatte eine angebrochene Elle diagnostiziert, zudem eine Gehirnerschütterung, zwei fehlende Zähne und eine gebrochene Nase.
»Da haben wir es ja!« Franziska Voss packte ihre Tasche zurück in den Schrank und schloss ihn geräuschvoll. Rath prägte sich noch schnell den Namen und die Adresse des Arztes ein, irgendwo draußen in Reinickendorf, und schaute ihr freundlich lächelnd entgegen. Sie drückte ihm etwas in die Hand.
»Ein Lippenstift?«, sagte er. »Was soll ich denn damit?«
Da blickte sogar der Bürodrache für einen Moment von der Schreibmaschine auf und richtete seinen säuregetränkten Blick auf Rath.
Franziska Voss lachte. »Doch nicht für Siel Für Erika!«
Rath verabschiedete sich. Es war das erste Mal, dass er seiner Sekretärin einen Lippenstift
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