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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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zu sehen.«
    In der Halle herrschte ein Höllenlärm. »Wir gehen am besten hier hoch«, brüllte Bahlke gegen den Krach an und zeigte auf eine Stahltreppe, »da könnense alles sehen. Ist auch nicht so laut.«
    Die Treppe führte in einen Raum, durch dessen großes Fenster man die ganze Halle überblicken konnte. Als Bahlke die Tür schloss, wurde es gleich leiser. »Das Büro des Schichtleiters«, sagte der Schichtleiter. »Hier habense alles im Blick. Ist auch nötig.«
    Rath schaute nach unten. Eine Karawane halb fertiger Fahrgestelle wanderte im Schneckentempo durch die Halle, überall standen Arbeiter und montierten etwas, an jeder Station wuchs das Gerippe des künftigen Autos, erhielt die Lenkung, Sitze, Räder, schließlich auch den Motor und die Karosserie, die von oben, wie vom Himmel aus ihrer eigenen Karawane kommend, herabschwebte und sich mit dem Fahrgestell zum fertigen Auto verband. Ein Ford A.
    »Sechzig Wagen pro Tag«, sagte der Schichtleiter stolz. »Die Einzelteile kommen aus Übersee. Und wir montieren sie dann hier. Amerikanische Methode. Mit Fließband.« Bahlke zeigte auf eine Station am Band, an der ein Rothaariger den beiden Neuen gerade zeigte, wie man die Motoren montierte. Dahinter schwebten von oben schon die Karosserien heran. »Sehense da, die Hochzeit im Abschnitt D? Da kommt die Karosserie aufs Fahrgestell, gleich nachdem der Motor eingebaut wurde.«
    Der Rothaarige blickte genau in dem Moment hoch, als Bahlke auf ihn zeigte. Selbst von hier oben konnte Rath sehen, dass der Arbeiter große Augen bekam und sich eifriger als zuvor wieder an die Arbeit machte. Sie standen hier auf dem Präsentierteller wie in einem Ku'damm-Schaukasten. Jeder Arbeiter konnte sie durch das große Glasfenster sehen, alle bekamen mit, dass sie aus dem Schichtleiterbüro beobachtet wurden. So war das wahrscheinlich auch gedacht, das hielt sie auf Trab. Und natürlich das Tempo des unerbittlich laufenden Bandes.
    »Eindrucksvoll«, meinte Rath. »Und was ist, wenn jemand mal aufs Klo muss?«
    »Dann arbeitet er vor, da gibt's Spielraum. Für längere Pausen organisiert er sich einen Springer. Wird natürlich vom Lohn abgezogen. Bei uns wird nur das bezahlt, was auch gearbeitet wird. « »Sagen Sie«, fragte Rath, »rekrutieren Sie Ihre Arbeiter eigentlich immer so wie vorhin?«
    Bahlke schüttelte den Kopf. »Die meisten haben sich ganz normal beworben. Werden aber immer mehr, die draußen auf ihre Chance warten. Wir zahlen gut. Und wer mehr schafft, bekommt auch mehr Geld. Sind nicht nur Arbeitslose, die da draußen rumlungern. Keiner zahlt so gut wie Ford. Von Wirtschaftskrise merken wir hier nichts. Ich sage Ihnen: Wenn das so weitergeht, sind die Berliner Fordwerke in fünf Jahren so groß wie Siemens!«
    Der hat keine Ahnung, was dem Werk hier bevorsteht, dachte Rath. Der Erpresser war nicht nur bestens über Adenauers Finanzverhältnisse informiert, auch sein Wissen über die Ford-Ansiedelung am Rhein war exklusiv. Wissen ist Macht. Rath musste an den Wahlspruch seines Vaters denken. Klang jetzt wie eine Anleitung für Erpresser.
    »Ist ja schön, wenn Sie sich Ihre Leute so aussuchen können«, meinte Rath. »Aber wer sagt Ihnen, dass Sie keine Verbrecher aufgabeln, wenn Sie die Männer direkt von der Straße ans Band schicken. Ohne Papiere.«
    »lek muss erst sehen, wie die Leute arbeiten. Wenn's läuft, müssen die auch ihre Papiere aufs Personalbüro bringen, ist doch klar, ick koof doch keene Katze im Sack. Warum fragense so? Sie suchen doch keenen Verbrecher hier bei uns? Nur weil der Knast um die Ecke liegt? Glauben Sie mir, nen krummen Hund erkenn ich sofort, der kommt mir nicht ins Werk!«
    »Keine Bange, ich suche niemanden, der aus Plötzensee entlaufen ist. Mir geht es um eventuelle Verbindungen Ihrer Mitarbeiter zur Deutschen Bank. Wer könnte die haben?«
    »Guter Mann, hier arbeiten fast dreihundert Leute, wie soll ich das wissen? Die beste Verbindung zur Bank haben bestimmt nicht meine Arbeiter hier, sondern die Leute im Lohnbüro.«
    Rath nickte.
    »Können Sie mir erklären, wie ich zum Lohnbüro komme?« »Sehense dahinten die Tür?« Bahlke zeigte quer durch die Halle. Hinter der Motorenmontage erkannte Rath eine Stahl tür. »Da müssense durch, dann kommense zur Verwaltung. Zum Personalbüro fragense sich am besten durch. Ach was, wartense. lek bring Sie hin!«
    Der rothaarige Monteur schien zu glauben, dass der Schichtleiter wieder auf ihn zeigte. Rath sah es dem Mann von hier

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