Der stumme Tod
und Restaurants, in denen sie verkehrt. Nichts. Seit sie in die Berge gefahren ist, hat sie niemand mehr gesehen.«
»Sie ist weggefahren?«
»Ein kleiner Winterurlaub. Nach dem letzten Dreh. Vivian fährt für ihr Leben gern Ski.«
»Vielleicht hat sie sich die Beine gebrochen und liegt irgendwo in einem Krankenhaus?«
»Wenn ihr etwas passiert wäre, hätten wir längst etwas gehört, sie ist doch keine Unbekannte!«
»Wohin ist sie denn gereist?«
»Keine Ahnung.« Oppenberg zuckte die Achseln. »Vivian liebt ihre Unabhängigkeit, sie mag es nicht, wenn man sie kontrolliert.« »Wie drehen Sie eigentlich ohne Hauptdarstellerin?«
»Wir haben den Drehplan umgestellt. Heidtmann dreht erst mal die Szenen ab, in denen sie nicht mitspielt.«
»Dann ist doch noch alles in Ordnung.«
»Sie haben gut reden! Wir müssen viel öfter umbauen, was meinen Sie, was das kostet? An Zeit UM Geld! Und so langsam kommen wir an die Grenze: Allzu viele Szenen ohne Vivian gibt es in diesem Film nicht. Irgendwann ist Ende, und jeder Tag, an dem ich nicht drehen kann, kostet mich ein Vermögen!«
»Mit anderen Worten: Sie wollen, dass ich Ihnen möglichst bald sage, ob Sie sich eine neue Hauptdarstellerin suchen müssen oder nicht ... «
»Nein.« Oppenberg schaute ihm fest in die Augen, es schien ihm ernst zu sein. »Ich möchte, dass Sie mir meine Hauptdarstellerin zurückbringen. «
Kapitel 10
Die Blondine telefonierte auch dieses Mal, als Rath die Büroräume in der Kantstraße betrat. Die Personalakte Krempin lag
schon auf dem Schreibtisch, die Sekretärin fuchtelte wild mit dem Zeigefinger. Ob sie auf Anweisung ihres Chefs einige Seiten aus der Akte entfernt hatte? Rath wusste immer noch nicht, ob er dem Produzenten trauen konnte. Doch was blieb ihm anderes übrig? Jedenfalls hatte Oppenberg noch eine ganze Menge über seinen früheren Mitarbeiter erzählt. Demnach war Krempin ein Filmbesessener, jemand, der die neue Herausforderung des Tonfilms begeistert angenommen hatte. Seine Idee sei es auch gewesen, so hatte Oppenberg erzählt, Bellmanns Produktionsgeheimnissen auf den Grund zu gehen. Zuletzt gesehen hatte er ihn vor gut einer Woche, viel Neues aus dem Hause Bellmann habe sein Spion ihm nicht berichten können, von Sabotageplänen sei jedenfalls nicht die Rede gewesen. Und nun habe er keine Ahnung, wo der Mann stecken könne. Rath musste an Bellmanns Foto denken: Krempin neben Betty Winter. Ob es das Hobby des gut aussehenden Mannes war, Filmsternchen aufzureißen? Vielleicht war er ja mit Vivian Franck durchgebrannt und untergetaucht. Rath konnte sich durchaus vorstellen, dass die beiden ihrem alten Arbeitgeber in so einem Fall nicht mehr unter die Augen treten wollten.
Oppenbergs blonde Sekretärin schaute ein wenig verwundert, als Rath die Akte Krempin vom Schreibtisch nahm und sich damit in einen der Ledersessel setzte, statt zu verschwinden. Ihren Gesprächsfluss konnte das aber nicht stören. Rath nutzte die Zeit, um einen Blick in die Papiere zu werfen. Nichts Besonderes. Krempin schien technisch begabt zu sein. Er hatte als Beleuchter und Kameramann bei Oppenberg gearbeitet, bevor er Produktionsleiter wurde. Bis Dezember 1929 währte das Arbeitsverhältnis, dann wurde ihm tatsächlich gekündigt; offiziell gab es also keinen Zusammenhang mehr zwischen Felix Krempin und Manfred Oppenberg. Ob das wirklich so war, oder ob Oppenberg diesen Eintrag eben erst veranlasst hatte, konnte Rath nicht feststellen. Die Tinte war jedenfalls trocken, und der Blondine, die jetzt endlich auflegte, war nichts anzumerken. Aber im Zweifel mussten sich bei Krempin ja Entlassungspapiere finden.
»Kann ich noch etwas für Sie tun?«, fragte die Sekretärin. Es klang eher neugierig als freundlich.
Rath nickte. »Ich müsste mal telefonieren«, sagte er. »Nur ein, zwei Minuten; ich hoffe, Sie können so lange auf das Gerät verzichten.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Hab auch noch andere Dinge zu tun.« Sie schob ihm das schwarze Telefon über den Schreibtisch, drehte sich zur Schreibmaschine und fing an, ein Manuskript abzuschreiben. Offensichtlich ein Drehbuch, das vervielfältigt werden musste.
Er griff zum Hörer und ließ sich verbinden. Zuerst mit der Gerichtsmedizin in der Hannoverschen Straße, doch Gräf war schon ausgeflogen. Rath erreichte den Kriminalsekretär an seinem Schreibtisch in der Burg.
»Wieder zurück? Was hat der Doktor denn so erzählt?« »Geschmacklose Witze.«
Rath konnte sich
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