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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Se direkt zur großen Halle. Da drehen die von der Montana gerade.«
    »Die große Halle?«
    »Ist nicht zu übersehen.«
    Das Ateliergebäude gleich hinter der Pforte war ähnlich verglast wie das in Marienfelde, dahinter reihten sich ein paar Baracken, aus denen Hammerschläge hallten und das Kreischen einer Kreissäge. Rath war für einen Moment unaufmerksam und fand sich plötzlich in den engen Basargassen einer orientalischen Stadt wieder, die wie ein verirrter Traum aus Tausendundeiner Nacht in der märkischen Winterlandschaft stand. Am Ende des Gassengewirrs trat er durch das große Portal einer Moschee wieder ins Freie und sah die unverputzte Rückseite. Eine schmucklose Holzkonstruktion bewahrte das orientalische Wunder vor dem Einsturz. Rath war ein wenig vom Weg abgekommen, doch als er nach links blickte, verstand er plötzlich, was der Pförtner mit nicht zu übersehen gemeint hatte:
    In der schmucklosen Backsteinhalle, die sich hinter ein paar Barackendächern erhob, hätte man ohne Probleme einen Zeppelin parken können.
    Die Halle schien zum Greifen nah, dennoch brauchte er noch eine ganze Weile, bis er sie endlich erreicht hatte. Gleich daneben erhob sich ein Neubau, dessen Backsteinwände fensterlos in den Himmel ragten.
    »Ist das hier die große Halle?«, fragte Rath einen preußischen Füsilier aus dem Siebenjährigen Krieg, der an der Wand lehnte und Zeitung las, eine Zigarette im Mundwinkel.
    »Sehnse irjendwo ne jrößere?« Der Mann musterte ihn. »Auch Komparse, wa?«
    »So ähnlich. Ich muss zur Montana.«
    »Da um die Ecke, dann sehen Se's schon, ne jroße Tür, nich zu übersehen. Das Nordatelier.«
    Nicht zu übersehen, das schien hier die gängige Beschreibung zu sein. Und auch diesmal traf es zu. Gegen die riesige stählerne Schiebetür hätte sich ein Scheunentor bescheiden ausgenommen. Die darin eingelassene Stahltür normaler Größe erinnerte an eine Katzenklappe. Mit leichtem Quietschen ließ sie sich öffnen, und Rath trat hindurch.
    Hinter der Katzenklappe erwartete ihn ein uniformierter Wachmann.
    »Halt«, bellte der Wachhund, »hier könnense nicht einfach so rinmarschieren! Hier wird gedreht!«
    »Deswegen bin ich ja hier«, antwortete Rath.
    Der Wachmann trug dieselbe Fantasieuniform wie der Pförtner.
    Er musterte den Eindringling von oben bis unten, als versuche er dessen Wichtigkeit einzuschätzen, und schien zu keinem eindeutigen Ergebnis zu kommen.
    »Sprechfilmaufnahmen«, sagte er und zeigte auf eine Stahltür, über der schwarze Buchstaben verrieten: MITTELHALLE II N. Daneben brannte eine rote Lampe. »Da kann nicht einfach jeder reinplatzen, wie er will! »
    "Ich möchte nicht reinplatzen. Ich möchte Herrn Oppenberg sprechen.«
    »Jetzt? Mitten im Dreh?«
    Ein Wichtigtuer, und dann noch in Uniform, Rath wurde ungeduldig. »Wie wäre es, wenn Sie durch diese Tür spazieren und einfach mal nachfragen?«, sagte er.
    »Wennse mir keenen Namen nennen, weeß ick ooch nicht, wen ick melden soll«, maulte der Wachmann. »Rath. Kriminalpolizei.«
    Der Mann nahm sofort Haltung an.
    »Warum sagense det nicht gleich? Sehen gar nicht aus wie ein Bu ... - wie ein Polizeibearnter. Moment bitte.«
    Der Wachmann verschwand in der Tür, über der das Rotlicht inzwischen erloschen war. Rath überlegte einen Moment, ob er ihm einfach folgen sollte, doch dann wartete er brav, bis sich die Ateliertür wieder öffnete. Der Wachmann hielt sie einem Mann auf, von dem Rath nur die Rückseite und den silberfarbenen Hinterkopf sehen konnte, weil er noch etwas in den Raum hineinrief.
    ». .. dann macht ihr eben mit Bild neununddreißig weiter, na und!? Wir müssen sehen, dass wir die Zeit nutzen, auch wenn das mehr Umbauten bedeutet. Also an die Arbeit: Bild neununddreißig, Schröders Werkstatt, Baron Suez und Schröder. Czerny kann sich schon mal umziehen. Ich gebe euch eine halbe Stunde. Wenn ich zurück bin, will ich, dass wir loslegen!«
    Oppenberg war überrascht, als er Rath erkannte.
    »Mein lieber Freund«, sagte er und schüttelte Rath die Hand, »Sie sind es! Was kann ich für Sie tun?«
    Rath blieb kurz angebunden. Bloß nicht einwickeln lassen von dem Filmfritzen. »Es geht um Mord«, sagte er, und Oppenbergs Lächeln wurde zu Eis.
    »Vivian? Ist sie ... «
    Vivian. Rath erinnerte sich an Oppenbergs hübsche Begleiterin damals im Venuskeller.
    »Ich suche Ihren Produktionsleiter«, sagte er und blieb weiter so freundlich wie ein Oberkellner, der kein Trinkgeld bekommen hat,

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