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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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zehn. Als er sich einen Kaffee aufbrühte, fiel ihm der Zettel mit dem Briefkopf der Vereinigten Kraftdroschkenbesitzer Groß-Berlins in die Hände, der Zettel mit der Taxifahrer-Adresse, den er gestern auf den Küchentisch gelegt hatte, bevor er sich in die Hauptmannsuniform geworfen hatte. Die Uniform! Die musste er auch noch zurückbringen. Gleich mehrere Gründe, heute aus dem Haus zu gehen!
    Nach dem Kaffee ging Rath zurück ins Bad, putzte sich die Zähne und drehte die Dusche auf. So richtig warm wurde das Wasser nie, es war immer kalt genug, um ihn zur Besinnung zu bringen.
    Der Taxifahrer hieß Friedhelm Ziehlke und wohnte im Schatten des Schöneberger Gasometers. Es war schon Mittag, als Rath dort ankam, die Fahrt nach Babelsberg hatte länger gedauert als gedacht, jede Menge Ausflügler auf dem Weg ins Grüne versperrten die Straßen. Und er hatte nur die dämliche Uniform zurückgeben wollen. Wenigstens war der Verkehr auf dem Rückweg entspannter. Die Straße vor dem Haus der Ziehlkes lag da wie ausgestorben. Im Treppenhaus roch es nach Kohl. Rath stiefelte bis zur vierten Etage hoch und klingelte. Es dauerte einen Moment, dann öffnete eine Frau in einer fleckigen Schürze, die noch an irgendetwas kaute. Es roch nach Zwiebeln und gebratener Leber, den Kohlgeruch hier draußen hatte jemand anderes verbreitet. Rath hasste Leber.
    Die Frau schaute ihn missbilligend an. »Wat wolln Sie denn?«, fragte sie. »Wir essen jerade!«
    Rath zeigte seine Marke.
    Ihre Augen weiteten sich und starrten das Siegel der Kriminalpolizei an. »Dieser Rotzlöffel«, zischte sie, »un mir sachter, er is mit die Mieze ins Kino!« Sie drehte ihren Kopf in die Wohnung. »Erich«, rief sie, »die Polente is hier. Wat haste wieder ausjefressen?«
    Rath hob beschwichtigend die Hände. »Lassen Sie mal gut sein«, sagte er. »Ich muss nur kurz mit Ihrem Mann sprechen. Ist er da?«
    »Mein Mann?« Sie guckte wie ein Auto. Bevor sie weitersprechen konnte, schlurfte ein Junge um die Ecke, vielleicht siebzehn, achtzehn Jahre alt. Die Hände in den Taschen, schaute er Rath und seine Mutter herausfordernd an. »Ick war im Kino! Wat sollen die Scheiße?«
    »Schon jut«, sagte die Frau leise und beäugte Rath misstrauisch, »der Herr möchte zu Vattern.«
    Sie sah aus, als sei ihr schlimmster Albtraum Wirklichkeit geworden. Erich verzog sich wieder.
    »Nichts Schlimmes«, beeilte sich Rath zu erklären. »Nur ein paar Fragen. Ihr Mann ist doch Taxifahrer.«
    Ihr Gesicht hellte sich auf. »Sicher«, sagte sie, »kommense doch rin!«
    Rath nahm den Hut ab, als er in die Wohnung trat. Er hörte Bestecke klappern, der Lebergeruch wurde unerträglich. In der geräumigen Wohnküche saß die Familie Ziehlke am Mittagstisch, neben dem Familienoberhaupt und Erich, dem Ältesten, drei weitere Söhne. Friedhelm Ziehlke war der Einzige, der eine Flasche Bier neben seinem Teller stehen hatte.
    »Friedhelm«, sagte seine Frau, »der Herr ist von der Polizei und ... «
     
     
    Ziehlke zog sich die Hosenträger über die Schultern und stand auf.
    »Sind det neue Polizeimethoden, einen jetzt sonntachmittachs zu überfallen?«, fragte er.
    »Tut mir leid, wenn ich ungelegen komme«, meinte Rath, »aber
    es ist eilig. Nur ein paar Fragen, dann bin ich wieder weg.« »Wüsste nicht, wie ick Ihnen helfen sollte. Worum jeht's denn?« »Können wir irgendwo in Ruhe ... «
    Ziehlke zuckte die Achseln, öffnete eine Tür und führte Rath ins Schlafzimmer. Drei Betten, ein großes und zwei kleine, und ein riesiger Kleiderschrank ließen kaum noch Platz. Dennoch standen zwei Stühle im Raum, einer vor einem Tisch am Fenster. Viel besser als in der Küche roch es in diesem Zimmer auch nicht.
    »Bitte«, sagte Ziehlke und wies Rath einen Stuhl zu. »Mehr kann ick Ihnen nich bieten.«
    »Danke.« Rath blieb stehen und holte den Zettel aus der Tasche. »Sie fahren das Taxi Nummer zwo-vier-acht-zwo?«, fragte er. »Richtig. Ist damit wat nich in Ordnung?«
    »Nein, nein. Es geht um einen Fahrgast, den Sie am achten Februar befördert haben, einen prominenten Fahrgast, eine Schauspielerin ... «
    »Na, davon hamwer viele in der Stadt, wa!" »Vivian Franck.«
    »Die Franck! Ja, daran er inner ick mir noch. Det war am achten?«
    »Ich muss wissen, wohin Sie sie gefahren haben.«
    Ziehlke überlegte. »Irjendwo nach Wilmersdorf, meen ick ...
    Aber wartense! Ick schreib doch allet uff.«
    Er holte eine dunkle Chauffeursjoppe aus dem Kleiderschrank und kramte in der

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