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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Scheißkerl!
    Männer, die sich Karneval als Cowboy verkleiden mussten, lächerlich! Irgend so ein Juristenfatzke wahrscheinlich.
    Er wollte nicht, dass Charly in seinem Kopf herumspukte, aber was sollte er tun?
    Nicht stehen bleiben, immer in Bewegung bleiben! Fahren, fahren, fahren. Rath startete den Wagen.
    Er hatte kein bestimmtes Ziel gehabt, war einfach kreuz und quer durch die Stadt gekurvt, abgebogen, wie er gerade Lust hatte. Dabei irgendwie nach Moabit geraten. Und beinahe automatisch in die Spenerstraße.
    Langsam rollte er an ihrem Haus vorbei. Was glaubte, was hoffte, was fürchtete er zu sehen?
    Er drehte noch eine Runde um den Block, dann fuhr er rechts ran, genau an ihrem Haus, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, stellte den Motor ab und zündete sich eine Zigarette an. Schon die letzte aus der Schachtel. Dafür dass er sich gestern noch Nichtraucher schimpfte, war er schon wieder ganz gut dabei.
    Während er rauchte, blieb er im Wagen sitzen, beobachtete die Haustür, aus der kein Mensch kam, schielte ab und an zu ihren Fenstern hoch, an denen sich niemand zeigte. Aber einen dünnen Lichtschein glaubte er hinter einer Scheibe wahrzunehmen. Er überlegte, ob er nicht einfach hinübergehen und klingeln sollte.
    Und dann?
    Noch eine Prügelei anzetteln, falls ein Cowboy die Tür öffnete? Rath warf den Zigarettenstummel aus dem Fenster und ließ den Motor an.
    Mit einer neuen Schachtel Overstolz in der Tasche stieg er eine halbe Stunde später die Steinstufen des Polizeipräsidiums empor. Den Wagen hatte er in der Klosterstraße geparkt und war zu Fuß zur Burg gelaufen, im Lichthof hätte sein Buick Böhm oder einem seiner Wasserträger auffallen können. Die Riesenbaustelle am Alex wurde ohnehin von Monat zu Monat schlimmer, mit dem Auto war hier kaum durchzukommen. Aschinger und einige weitere bislang vom Abriss verschonte Häuschen drängten sich noch vor dem Präsidium zusammen wie zum Tode Verurteilte auf dem Schafott. Aschinger sollte begnadigt werden und auch im Neubau einen Platz finden, hieß es. Was mit Loeser & Wolff passieren sollte, war noch nicht bekannt, aber noch konnte Rath seinen Bedarf an Zigaretten dort decken. Und solange der Polizeipräsident Zigarren rauchte, würde es wohl auch einen Tabakhändler am Alex geben.
    Sonntags war nicht viel los in der Burg, in den meisten Inspektionen lief der Betrieb auf Sparflamme. Rath hatte gehofft, niemandem Guten Tag sagen zu müssen, doch gerade in dem Moment, als er aus dem Treppenhaus trat, öffnete jemand die große Glastür zum Gang der Mordinspektion.
    »Mahlzeit, Lange«, sagte Rath und tippte an den Hut. Der Mann aus Hannover schaute überrascht.
    »Herr Kommissar! Sie haben doch keinen Wochenenddienst.« »Aber Sie offensichtlich.«
    Lange nickte. »Zusammen mit dem Kollegen Brenner. Aber der hat sich krankgemeldet.«
    »Soso.«
    Lange blieb einen Moment stehen und druckste herum. Dann traute er sich doch. »Er hat angedeutet '" also ... Stimmt es, dass Sie ihn ... zusammengeschlagen haben?«
    Rath zuckte die Achseln. »Sagen wir, ich habe ihm eine kleine Lektion erteilt. Hängen Sie das mal nicht an die große Glocke.«
    »Ich fürchte, da hängt es schon.« Lange senkte seine Stimme. »Ich weiß ja nicht, was da gestern vorgefallen ist«, sagte er, »aber es sieht so aus, als würde der Kollege Brenner daraus eine große Sache machen. Mit Disziplinarverfahren und allem Drum und Dran. Bereiten Sie sich schon mal auf Ärger vor, Herr Kommissar. Der Chef war gestern schon sauer auf Sie, weil er Sie nirgends finden konnte.«
    »Danke für die Vorwarnung«, sagte Rath. Lange nickte kurz und ging seiner Wege.
    Brenner, dieses Kameradenschwein! Würde sich bei Böhm ausheulen, natürlich. Es war dumm, die Beherrschung zu verlieren. Andererseits hatte Brenner es verdient. Trotz seiner nach wie vor schmerzenden Knöchel und trotz des zu erwartenden Ärgers in der Burg hatte Rath das seltene Gefühl, gestern im Resi genau das Richtige getan zu haben.
    Im Büro war es wieder einmal kalt. Er sollte sich vielleicht doch häufiger während der normalen Dienstzeiten hier aufhalten, dachte er, dann wurde wenigstens geheizt. Im Moment arbeitete er eher gegen den Rhythmus der Burg, um Böhm aus dem Weg zu gehen. Arbeitete während der Dienststunden seine Privataufträge ab und kam erst nach Feierabend ins Büro. Auf Gräfs Schreibtisch lag alles, was er suchte. Das Gutachten von Doktor Schwartz und auch schon erste Auswertungen der Spuren, die

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