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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Rath, er durfte nicht vergessen, sich bei seinem Partner dafür ein wenig erkenntlich zu zeigen.
    Der Rücktritt von Innenminister Grzesinski war für die Berliner Blätter schon kein großes Thema mehr, stattdessen bestimmten Spekulationen über eine mögliche Regierungskrise die Schlagzeilen. War die große Koalition wohl doch nicht so stabil, wie Rath senior, der alte Zentrumsmann, immer behauptete? Nicht alle Zentrumsleute verstanden sich eben so gut mit den Sozis wie Kriminaldirektor Engelbert Rath, der den Sozen einen Gutteil seiner Karriere verdankte.
    Auch im Fall Winter verließen sich die Zeitungen vorrangig auf Spekulationen, in der Hauptsache Bellmanns Sabotagetheorien, ohne dass allerdings der Name Oppenberg fiel, so vorsichtig war die Journaille dann doch, denn Rath war sich sicher, dass Bellmann jedem Journalisten den Namen seines verhassten Konkurrenten sorgfältigst buchstabiert hatte, wahrscheinlich mit dem geraunten Zusatz: »Das haben Sie aber nicht von mir.« So oder so, die Vermutungen schossen wild ins Kraut. Kein Wunder, aus dem Präsidium war nichts Neues gekommen. Böhm leitete zwar nun die Ermittlungen, wie die Blätter zu berichten wussten, er hatte den Journalisten aber nichts sagen können oder wollen. Gut kam der Oberkommissar in den Artikeln nicht weg. Befriedigt registrierte Rath, dass die meisten Polizeireporter Kommissar Böhm geschrieben hatten, obwohl sie den Dienstgrad eigentlich kennen müssten. Das würde die Bulldogge mächtig ärgern.
    Langsam wurde es Zeit, Rath trank aus und ließ den Rest in der Kanne. Er legte nur ein minimales Trinkgeld hin. Der Kellner konnte sich ja am Kaffee bedienen, den sein Gast gar nicht hatte haben wollen.
    Weinert war pünktlich, die Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz zeigte halb neun, als der Buick vorfuhr und genau an einem Haltestellenschild hielt. Der Journalist ließ den Motor laufen und stieg aus. Sie mussten sich mit dem Plätzetauschen beeilen, denn ein Busfahrer machte mit seiner Hupe lautstark und unmissverständlich klar, dass er den Parkplatz des Buick für die BVG beanspruchte.
    »Wo soll's denn hingehen?«, fragte Rath.
    »Nur zur Nürnberger Straße, dann bist du mich los.«
    Rath blieb im Wagen sitzen, als er vor Weinerts Wohnung hielt, und verabschiedete sich von dem Journalisten. Als er den Hauseingang des Nebenhauses sah, musste er daran denken, wie er sich mit Charly dort einmal vor der Behnke versteckt hatte. Wie lang war das her!

Kapitel 22
    Um kurz nach neun war er in der Burg. Mit der braunledernen Aktentasche kam er sich vor wie ein Versicherungsvertreter.
    Normalerweise brachte er außer Hut, Mantel und Dienstwaffe nichts weiter mit zur Arbeit.
    Erika Voss erwartete ihn schon.
    »Da sind Sie ja! Herr Kommissar, Sie glauben gar nicht, was hier los ist! Oberkommissar Böhm ... «
    »Dann rufen Sie Böhm an und sagen Sie ihm, dass ich hier bin.
    Das heißt: Warten Sie noch damit, ich muss erst ein paar Dinge abheften. «
    »Na, Sie haben Nerven!«
    »Das auch. Ich bin schließlich Kriminalbeamter. Gräf schon da?«
    »Schon wieder weg. Neun Uhr, Besprechung im kleinen Konferenzsaal. Für alle, die am Fall Winter arbei ... «
    »Henning und Czerwinski? «
    »Die hat Böhm für die Observierung der Guerickestraße abkommandiert. «
    »Sie wissen aber gut Bescheid.«
    »Einer muss hier ja die Fäden zusammenhalten, Herr Kommissar.«
    Sie grinste schief unter ihren blonden Fransen.
    »Dann halten Sie mal zusammen. Vor allem könnten Sie mir das hier schön säuberlich abheften.«
    Er holte den Bericht aus der Tasche, den er gestern in Weinerts Maschine getippt hatte. Sie nickte brav, suchte einen neuen Hefter aus der Schublade und zog den großen schwarzen Locher zu sich herüber.
    »Sonst noch irgendwelche Unterlagen zum Fall Winter hier?«, fragte Rath, während sie das Papier akkurat stauchte und unter den Locher klemmte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Die hat Gräf alle mit rübergenommen.«
    »Na gut, dann muss der Bericht reichen. Geben Sie doch bitte her.« Rath nahm den Hefter entgegen, der einen ganz manierlichen Eindruck machte, und steckte ihn zurück in die braune Ledertasche. »Dann wollen wir mal in die Höhle des Löwen.«
    Sie schaute ihn mitleidig an. »Viel Glück, Herr Kommissar«, sagte sie. So viel Zuspruch hatte er von Erika Voss in all den Monaten, die sie nun zusammenarbeiteten, noch nie gehört, er war beinahe gerührt.
    Mit der Ledertasche unter dem Arm fühlte er sich wenigstens irgendwie bewaffnet, als er

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