Der stumme Tod
jemand hartnäckig.
Rath stand auf, fest entschlossen, dem Anrufer die Meinung zu geigen. Doch es war jemand, zu dem er freundlich sein musste.
»Sie wollten mich dringend sprechen, sacht meine Frau?«
»Herr Ziehlke! Schön, dass Sie sich melden!« Raths Stimme wollte nicht ganz die fröhliche Laune verbreiten, wie eigentlich beabsichtigt. »Wenn auch ein bisschen früh.«
»Nach achtzehn Uhr, ick weeß, aber da warense jestern leider nich zu kriejen, Meester. Und da dachte ick mir: Friedhelm, dachte ick, probier's doch noch mal, bevor deine Schicht bejinnt, de Polente is doch uff Zack.«
»Allzeit bereit«, sagte Rath und gähnte lautlos.
»Und hier in der Garage hamwer wenigstens Telefon, unterwegs is dann wieder schwierijer. Wat kann ick denn noch tun für unsern Freund und Helfer?«
»Könnten Sie heute irgendwann ins Präsidium kommen? Ich möchte Ihnen ein paar Fotos zeigen. Vielleicht erkennen Sie den Mann wieder, der Vivian Franck abgeholt hat.«
»Heute marjen is schlecht. Wie wäret jejen zwölfe? Oder besser halb eins, falls ick noch durch die halbe Stadt zum Alex muss.« »Halb eins ist prima. Ich geb Ihnen ein Mittagessen bei Aschinger aus.«
»Und meene Stullen?«
»Sie können ja mal darüber nachdenken.« Rath musste sich wirklich zusammenreißen, um freundlich zu klingen. »Ach, Herr Ziehlke, eine Frage habe ich Ihnen noch gar nicht gestellt:
Als Sie Frau Franck seinerzeit gefahren haben, was haben Sie da eigentlich mit dem Gepäck gemacht? Sie hatte eine ganze Menge Koffer dabei, soweit ich weiß, und die haben Sie Ihr doch sicher nicht einfach am Hohenzollerndamm aufs Trottoir gestellt, oder?«
»Ne, bestimmt nich. Ick weeß, woraufse hinauswollen. Aber Fehlanzeige, ne jenaue Adresse kann ick Ihnen immer noch nich nennen. Det Jepäck warnwer nämlich schon vorher quitt jeworden. Jetze fällt's mir wieder in, wo Se fragen: Vom Kaiserdamm sind wer erst mal zum Bahnhof Zoo, da hab ick mir noch mal mit ihre Koffer abmühen dürfen, und dann erst jing et weiter nach Wilmersdorf. «
»Wohin haben Sie die Koffer gebracht? Aufgegeben? Für eine Zugfahrt ?«
»Ne. Eenfach nur bei de Jepäckuffbewahrung abjeliefert.« »Wissen Sie auch noch, welche Nummer Fräulein Franck bekommen hat?«
»Na, Sie harn Nerven!« Ziehlke lachte trocken, es hörte sich an wie ein Husten in die falsche Richtung. »Wenn ick die noch wüsste, würd ick als Jedächtniskünstler im Variete ufftreten statt Taxi fahren!«
»Gut. Wir sehen uns dann heute Mittag. Frohes Schaffen!« »Gleichfalls. «
Rath legte auf und überlegte kurz. Wieso eigentlich nicht, dachte er und ließ sich verbinden.
Zu seiner Überraschung dauerte es nur wenige Sekunden, bis abgehoben wurde. »Behnke.«
»Herrn Weinert bitte.«
»Sie schon wieder? Haben Sie nicht gestern schon angerufen?« Rath schwieg.
»Ich fürchte, Herr Weinert schläft noch.« »Dann wecken Sie ihn bitte. Es ist wichtig.«
Dass die Zimmerwirtin Weinert mit einem seiner Mädels erwischte, war wenig wahrscheinlich, die schickte er normalerweise mitten in der Nacht fort, wenn die Behnke tief und fest schlief oder so betrunken war, dass sie nichts mehr mitbekam. Aber wecken durfte sie ihn ruhig, dachte Rath, so viel Schadenfreude war erlaubt.
Weinert wirkte tatsächlich reichlich verschlafen, der Journalist
meldete sich mit einem »Jaa?«, das sich wie gegähnt anhörte. »Wir müssen umdisponieren.«
»Gereon?«
»Bist du verrückt, meinen Namen so laut durch die Gegend zu brüllen! Willst du dich bei der Behnke unbeliebt machen?« "Warum schmeißt du mich mitten in der Nacht aus dem Bett?«
»Frühmorgens. Deine Zimmerwirtin jedenfalls ist schon auf den Beinen.«
"Bei ihr war es gestern auch nicht so spät wie bei mir.«
"Ich rufe wegen des Autos an, was hältst du davon, wenn du es mir eine halbe Stunde später bringst als vereinbart ...«
"Prima, dann kann ich heute ja ausschlafen!«
» ... und auch nicht zu mir. Wir treffen uns am Bahnhof Zoo, das ist näher für dich.«
»Kein Problem. Und die Schreibmaschine nimmst du mit?« »Das schwere Monstrum wollte ich eigentlich nicht durch die U-Bahn schleppen. Kann ich sie dir nicht später vorbeibringen? Heute Abend?«
»Wir reden hier von meinem Arbeitsgerät. Wenn ich damit Bahn fahren kann, dann kannst du das auch. Sonst nimm ein Taxi.«
So kam es, dass Rath morgens um halb acht mit einer tiefschwarzen Remington und einer braunen Aktentasche unterm Arm an der Gepäckaufbewahrung im Bahnhof Zoo stand und
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