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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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hat, geht der noch. Wir müssen versuchen, ihn anzumachen. Draußen ist es nicht viel über Null. Das Haus kühlt schnell aus. Wir können wahrscheinlich nicht mehr als einen Raum warm kriegen.«
    Tatsächlich funktionierte der Herd. Ronny zerknüllte ein paar alte Zeitungen, schichtete Brennholz darüber, die dünnen Scheite zuerst. Am Anfang rauchte es stark in die Küche hinein. Dann zog der Herd. Benigna zündete ein paar Kerzen an, suchte mit der Taschenlampe im Esszimmer den kalt gewordenen Fasan und das Brot zusammen und holte eine neue Flasche Wein. Ronny versuchte zu telefonieren. Aber welche Nummer er auch wählte: Immer ertönte ein Besetztzeichen.
    »Hast du ein Kofferradio? Mit Batterien?«
    »In Katarinas Zimmer gibt es vielleicht noch eins, in ihrer Kommode. Als kleines Kind hatte sie so ein Ding: ›My First Sony‹ hieß das.« Benigna ging mit der Taschenlampe los und kam nach zehn Minuten mit einem Spielzeugradio zurück.
    »Die Batterien aus der Taschenlampe müssten passen. Hast du noch mehr davon? Von den Batterien?«
    »Ja.«
    Das Radio krächzte zwar, es waren auch, schwach, nur drei Sender zu empfangen. Darunter aber war »Radio Kristianstad«, der Regionalsender. Dort gab es jetzt ausschließlich Berichterstattung zum Sturm: Sogar die Fernverkehrsstraßen waren wegen umgestürzter Bäume kaum noch befahrbar, der Zugverkehr war eingestellt, in weiten Teilen der Provinz war die Elektrizität ausgefallen, die öffentliche Kommunikation wurde nur noch durch Polizei und Feuerwehr aufrechterhalten. Bevor der Sturm an Stärke verlor, war an Reparaturen oder gar Aufräumarbeiten nicht zu denken. Immer wieder wurde den Hörern nahegelegt, ihre Häuser nicht zu verlassen: »Bleiben Sie zu Hause und halten Sie Verbindung zu Ihren Freunden und Verwandten.« Benigna öffnete die Flasche und trank das erste Glas in einem Zug.
    »Komm, wir betrinken uns jetzt.« Ronny hörte sofort, dass dieses »Wir« anders war als alle »Wirs«, die es zwischen den beiden je gegeben hatte. Er war wie verzaubert in diesem Augenblick, und der Sturm hätte, wenn es nach ihm gegangen wäre, jetzt ewig dauern können.
    Und er dauerte. Lange saßen Ronny und Benigna in der Küche, schauten in die schwarze, laute Nacht, tranken Rotwein und brachen noch eine weitere Flasche an. Im Hintergrund lief »Radio Kristianstad«. Es hatte schon Tote gegeben. Mehrere Häuser waren durch fallende Bäume zerstört worden.
    »Meinst du, das Haus ist sicher?«
    »Ich glaube schon. Es stehen nur Eichen um das Haus. Sie sind ja sturmfest. Sagt man wenigstens. Der Ast muss zu schwer geworden sein.«
    Dann schob Benigna Holz nach, legte ihre Hand auf Ronnys Schulter und sagte: »Komm, lass uns schlafen gehen.«
    In dieser Nacht geschah, was Ronny dreißig Jahre lang ersehnt und doch nicht für möglich gehalten hatte.

Sechsunddreißig
    Johan schaute seinen Chef fassungslos an: »Da ist einer verrückt geworden.« Beide standen vor dem großen Bildschirm, der in den allerbrenzlichsten Situationen als Befehlsstand der Firma »The Cloud Matters« diente. »Whoever that is«, rief Richard Grenier, »total verrückt, completely out of mind.« Die Kollegen bis hin zum hintersten Schreibtisch waren aufgestanden und hatten sich um ihren Chef vor dem zentralen Monitor versammelt.
    Alle großen Banken, die von Richard und seiner Firma betreut wurden, schienen gleichzeitig Ziel von Angriffen geworden zu sein, und die Attacken waren von größerer Zahl und Gewalt als je. Überall wurden Sicherheitswälle gesprengt. Wahrscheinlich wurden jetzt Millionen von Kundendaten und internen Dokumenten, von Analysen und Bewertungen von außen sichtbar. So massiv waren die Angriffe, dass in diesem Raum keiner auch nur eine Sekunde daran dachte, sie könnten nur der eigenen Firma oder nur amerikanischen Banken gelten.
    Wer über solche Programme und solche Schlüssel verfügte, der beschränkte sich nicht auf eine Firma oder ein Land. »London und Tokyo, überall wird es das gleiche sein«, sagte einer aus der Runde, und Richard nahm gar nicht wahr, wer es war. »Das wird furchtbar werden.« Tatsächlich trafen jetzt, in rasendem Takt, Alarmmeldungen fremder Sicherheitsfirmen und Banken bei ihm ein. Doch gleichzeitig ergaben die Attacken kein geschlossenes Bild. Angegriffene und halb niedergangene Server wurden plötzlich verschont, geöffnete Zugänge nicht genutzt, schon restlos außer Funktion geratene Einrichtungen weiter bekämpft, als gälte es, sie mit

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