Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
Vom Netzwerk:
einen mit Maronen gefüllten Fasan herein, schenkte Wein nach und setzte sich.
    »Hast du den Fasan geschossen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Einer der Nachbarn jagt, und wenn er das auf meinem Land tut, dann gibt er mir etwas ab. So einfach ist das.« Sie hob das Glas:
    »Auf uns.«
    Da tat es einen gewaltigen Krach. Holz barst, Glas splitterte, und etwas Großes, Schweres brach durch das Fenster und knallte, schwarz und gewaltig, auf den Tisch herunter. Der Boden zitterte. Das ganze Haus bebte. Ronny fühlte einen Schlag, der ihm den Magen an die Wirbelsäule drückte. Benigna schrie auf. Im selben Augenblick ging das Licht aus, der Sturm heulte im Zimmer, der Regen peitschte herein, die Kerzen erloschen, es polterte, etwas Hölzernes fiel um. Ronny saß noch auf seinem Stuhl, Sekunden später. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Was war das, war das der Tod, und starb nur er allein? Es dauerte, bis er seine Stimme wiederfand.
    »Benigna?«, rief er gegen den Sturm.
    »Ronny?« Die Stimme kam von fern, von unter dem Tisch, kläglich, voller Angst. »Was ist das, was war das?«
    »Hast du dir etwas getan?«
    »Ich weiß nicht, ich glaube: nein. Du?«
    »Nein.« Die Welt war fremd geworden, feindlich, im Bruchteil einer Sekunde. Ronny rutschte von seinem Stuhl herunter, etwas Hartes, Kaltes, Nasses stieß gegen sein Gesicht. Er rutschte weiter nach unten, unter den Tisch, und fand Benignas Arm und Hand.
    »Benigna, wir brauchen Licht.«
    »Ja.«
    »Benigna, wir brauchen Licht.«
    »Warte. Ich weiß, wo die Streichhölzer sind.«
    Ein Rascheln und Krabbeln auf dem Holzboden war zu hören, dann ein paar Schritte, das leise Klappern von Streichhölzern in ihrer Schachtel. »Zisch«, sagte es schließlich, ein kleiner Funken, der im Wind sofort erlosch. »Zisch«, noch einmal dasselbe. Dann zwei, drei Schritte, eine Drehung, wieder ein »Zisch«, eine kleines Leuchten, und für ein paar Sekunden war der Raum in einem schwachen Licht zu sehen: Ein Ast war durch das Fenster gebrochen und lag auf dem Tisch. Vom Fenster war nicht mehr viel übrig. Der Ast war groß genug, um einen Menschen zu erschlagen. An seinen Zweigen hingen noch ein paar braune Blätter und zitterten im Wind.
    »Das war knapp«, sagte Ronny, bevor das Streichholz erlosch. »Was so ein Tisch alles aushält.« Als Benigna das nächste Streichholz anzündete, hatte sie eine Kerze in der Hand und sich, des Windes wegen, gegen die Wand gedreht. Sie hielt die Kerze fest, die Hand um die Flamme, und in ihrem flackernden, matten Schein betrachteten die beiden das geborstene Fenster, durch das der Regen hereinpeitschte.
    »Irgendwie müssen wir das zukriegen«, sagte Ronny, »sonst steht das Haus bald unter Wasser. Hast du eine Taschenlampe?«
    »In der Küche.«
    »Feste Pappe, Karton, eine Plastikplane, ein paar Bretter? Einen Handwerker werden wir jetzt kaum holen können.«
    Benigna holte die Taschenlampe. Zusammen tasteten sie sich in den Keller, fanden ein paar Bretter, die vielleicht vor das zerborstene Fenster passten, Pappe, Mülltüten aus Kunststoff, sogar ein großes Stück Linoleum, das von einer Renovierung übrig geblieben war, einen Hammer und Nägel. Ins Esszimmer zurückgekehrt, drückte Ronny die übrig gebliebenen, zerbrochenen Teile des Fensters nach außen. Zusammen hoben sie den Ast und warfen ihn hinaus. Dann machten sich die beiden, während Sturm und Regen dagegenhielten, an ihre Arbeit: Benigna hielt mit einer Hand die Teile fest, mit der anderen die Taschenlampe, und Ronny schlug die Nägel ein. Am Ende sah das Werk zwar aus, als hätte ein Zehnjähriger versucht, eine Bude aus Fetzen von Plastiktüten und zertretenen Apfelsinenkisten zu bauen. Es hielt aber doch wenigstens den Regen ab. Nach einer halben Stunde war das Fenster geschlossen. Da erst merkte Ronny, wie kalt es im Haus geworden war.
    »Benigna, die Heizung, der Strom. Es gibt ja keinen Strom mehr.«
    Benigna fasste sich erschrocken ans Kinn. »Ja, klar, die Pumpe braucht ja Strom.«
    »Glaubst du, dass wir bald wieder Strom haben?«
    »Ich weiß es nicht. Wir haben hier öfter Stromausfälle, immer, wenn ein Ast auf eine Leitung fällt. Nach ein paar Stunden ist dann der Strom immer wieder da. Aber da draußen fallen jetzt viele Bäume um. Ich habe noch nie einen solchen Sturm erlebt.«
    »Sag mal, in der Küche steht doch ein alter Holzherd?«
    »Ja, ein Aga, aber er ist bestimmt seit dreißig Jahren nicht mehr benutzt worden.«
    »Trotzdem. Wenn keiner daran herumgebaut

Weitere Kostenlose Bücher