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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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immer noch. Ich habe mit dem Chef der Räumtrupps in der Gegend gesprochen. Willes Wald gehört zu denen, die am schlimmsten getroffen wurden. Er liegt ja auch so hoch. Morgen früh, meint der Mann vom Räumtrupp, sind sie durch. Dann kann man das Schloss wieder erreichen. Ich bin wirklich beunruhigt. Würdest du mitkommen, wenn du kannst?«
    Ronny dachte einen Augenblick nach. Jetzt fängt das schon wieder an, dachte er. Sie wünscht, und ich komme. Andererseits hatte ihn nach dem Erfolg mit der Reportage über die Bauern, die dem Sturm trotzen, der Ehrgeiz gepackt. Und diese Geschichte war spannend, sehr spannend. »Gut, wenn es denn sein muss.« Das Seufzen klang übertrieben.
    »Ich bin um neun bei dir, vor deiner Haustür.«
    Ronny schickte eine Mail an die Zentralredaktion: Er könne am kommenden Morgen nicht in der Redaktion sein. Er müsse einer Geschichte über den im Sturm verschollenen Wilhelm af Sthen nachgehen. Eine Mail von Pelle Larsson war noch nicht gekommen, keine Scans, kein Manuskript.
    Als Ronny am Dienstagmorgen um neun Uhr vor das Haus trat, stand der alte, dunkelgrüne Landrover Defender schon mit nagelndem Motor vor der Tür. Benigna trug eine Uschanka aus grauem Pelz mit hochgeklappten Ohren, eine alte, schwere Jägerjacke und Gummistiefel, so dass sich Ronny in seinen üblichen Jeans und seinem alten Parka sehr leicht gekleidet vorkam. Es roch faulig im Landrover, und es war laut. Der Dieselmotor schien so gut wie gar nicht isoliert zu sein, die Schaltung krachte, das Auto ächzte und quietschte in jeder Kurve, es hüpfte über jede Bodenwelle und fiel dann krachend herunter. Es war kalt im Auto, die Heizung funktionierte nicht.
    »Bist du denn sicher, dass Wille überhaupt zu Hause war, als der Sturm kam?«
    »Nein, ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber er ist oft allein. Und es wohnt ja keiner außer ihm auf dem Schloss. Schon lange nicht mehr. Er will das so. Alle Arbeiter, die er hat, die ganzen Angestellten kommen morgens von woanders her, und dann sind sie abends wieder fort. Es gibt nur diese Haushälterin, Maja, die ihm auch das Essen vorbereitet. Und dann ist da ihr Sohn, der dicke Olle. Ihn hast du ja schon gesehen. Aber auch sie kommen und gehen mit den anderen.«
    »Und das Mobiltelefon? Dass man ihn auch damit nicht erreichen kann?«
    »Ach, dafür kann es viele Gründe geben. Das ganze Mobilnetz war ja zusammengebrochen. Oder vielleicht war der Akku leer, und er konnte ihn nicht mehr aufladen. Vielleicht wollte er das aber auch gar nicht. Bei ihm ist immer alles möglich.«
    Die großen Straßen waren jetzt völlig geräumt. Rechts und links sah man, wie sich Trupps von Holzfällern mit schwerem Gerät in die niedergemachten Wälder vorarbeiteten. Immer wieder kamen sie an Sammelplätzen für die Stämme vorbei, die zwanzig, dreißig Meter in den Himmel aufragten, immer wieder an den wüsten Bergen, zu denen Äste, Wurzelstöcke und gesplittertes Holz aufgetürmt waren. Und auch die kleineren Straßen waren befahrbar, mehr oder minder. Man kam nur langsam voran, hauptsächlich der vielen Maschinen wegen, die überall bewegt wurden. Aber es ging.
    An der Abbiegung zur Rampe nach Ekeby Gård stand eine kleine Gruppe von Männern in gelben Overalls um eine Karte herum und schien sich zu beraten. Benigna stoppte den Landrover, das Getriebe krachte laut. Sie kurbelte das Seitenfenster herunter.
    »Seid ihr durch? Ist der Weg frei?«
    »Du meinst nach Ekeby Gård?« »Ja.«
    »Vor einer guten Stunde. Die Straße ist geräumt, man kann jetzt darauf fahren.«
    »Habt ihr Wille gesehen, ich meine: Wilhelm af Sthen?«
    Die Männer schauten sich an, einige grinsten.
    »Was ist los? Habt ihr ihn gesehen?« Benigna war ungeduldig.
    »Ja«, sagte der älteste der Arbeiter, der auch der Vormann zu sein schien, im breiten Dialekt der Gegend. »Er kam uns entgegen, als wir die Straße freigeräumt hatten und nach ihm schauen wollten. Es ist alles in Ordnung, sagte er, bei Poltava, im Großen Nordischen Krieg, habe er schon Schlimmeres erlebt.«
    »Poltava, das war 1709 , der Untergang des schwedischen Großreiches«, rief ein anderer vorlaut.
    »Ja«, sagte sein älterer Kollege, »er war vielleicht ziemlich betrunken. Wir wollten ihm helfen, einen Krankenwagen holen oder sonst etwas. Aber er hat uns weggeschickt. Er kommt klar, sagte er. Die Polizei war auch schon da und hat nach ihm geschaut. Auch sie ist wieder weggefahren, wahrscheinlich, weil man mit ihm nicht reden kann. Wir haben ihn

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