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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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dann ›Hilfe‹ rufen, wenn du selber eins in die Fresse kriegst. Ist das klar, du Schwächling?! Sag Olle, er soll kommen, er regelt das schon.« Ronny zuckte zusammen. Mit Olle wollte er sich jetzt nicht auch noch beschäftigen. Benigna legte dem Wütenden die Hand auf den Arm. Ronny brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was Wilhelm da gebrüllt hatte. Plötzlich wurde ihm klar, in welchem Maße sich Wilhelm selbst als Staatsfeind begriff.
    Einen Augenblick später hatte sich der Freiherr wieder im Griff: »Kannst du mal nach meinem Gesicht sehen, Benigna?«
    Sie schaute sich die Wunden an: »Das sieht schlimmer aus, als es ist. Im Gesicht blutet man immer sehr heftig. Das sieht immer übel aus. Aber auch die Stirnwunde ist eigentlich nur ein Kratzer.«
    »Es tut weh, immer noch. Aber kommt, Kinder, wir kochen jetzt Spaghetti. Wer will, kann ein Würstchen haben.« Benigna suchte die Zutaten und zwei Töpfe zusammen, Wilhelm nahm drei Gläser aus dem Schrank, öffnete noch eine Flasche Mormoreto, goss ein und kippte das eigene Glas in einem Zug herunter.
    »So, ihr Journalisten braucht doch immer eine Geschichte. Komm, Kleiner, du kannst notieren, dass Wilhelm af Sthen vier Tage eingesperrt war in seinem Haus. Dass er nach einem Tag keine Elektrizität mehr hatte, weil er ein Idiot ist und zwar Generatoren besitzt, für den Notfall, aber nur einen Kanister Diesel, um sie zu betreiben. Dass er dann hier saß, an seinem Herd, am selben Herd, an dem schon sein Vater saß und dessen Vater und dessen Vater. Und draußen tobte der Sturm, und er dachte nach. Wilhelm af Sthen wird jetzt die Politik verlassen, beschloss er, weil er in Wirklichkeit kein Politiker ist. Er ist nie einer gewesen. Er ist ein Junker, und er wird jetzt wieder Junker sein. Es wird für ihn keine Freibeuter mehr geben und keinen Kampf mehr gegen das internationale Finanzkapital. Denn Wilhelm af Sthen wird jetzt wieder Bauer sein, wie seine Vorfahren, er wird in seinem Haus wohnen und über sein Land herrschen. Und seine Leute werden ihn lieben. Das hat ihn der Sturm gelehrt. Bauer sein, wie seine Vorfahren. Das war die Natur. Und so wollte es die Natur. Schreib das hin!«
    Er goss sich ein zweites Glas Wein ein und stürzte auch dieses herunter.
    Benigna stellte die Nudeln auf den Tisch: »Trink bitte nicht so viel, Wille.«
    »Kümmere dich um deinen Kram. Da draußen liegen mindestens zweihundert Hektar alter Wald, Buchen, Eichen und Fichten, die mein Großvater oder mein Urgroßvater gesetzt haben, so wie ich Bäume gepflanzt habe, die meine Urenkel einst fällen sollten. Ich trinke so viel, wie ich will. Denn das war mein Wald. Und es wird mein Wald sein.«
    »Und noch etwas, Kleiner.« Wilhelm wandte sich wieder Ronny zu, der, blass und eingeschüchtert, eng an die Wand gerückt war. »Ich will wissen, wo das Notebook des kleinen Magnus ist, ihr wisst schon, ihr wisst das genau, von dem Jungen, der da in Älmhult am großen Stuhl hing. Ich weiß, dass ihr das wisst. Du kleiner Schreiberling, du kannst diese Geschichte hinschreiben, aber nur, wenn du mir sagst, wo das Ding ist … also?«
    Der Schrecken der Hilflosigkeit fuhr Ronny in die Glieder. Er wusste ja nicht mehr als Wilhelm: Es musste diesen Computer gegeben haben. Alle wussten das. Aber auch er hatte keine Ahnung, wo er sein konnte. Und offenbar war er wichtig, so wichtig, dass Wilhelm, noch mitten in der Katastrophe, grün und blau geschlagen und betrunken, an dieses Ding denken musste.
    »Ich weiß nicht«, stotterte Ronny, »ich weiß nichts von einem Computer.«
    »Scheiße.«
    Ein drittes Glas ging denselben Weg wie die beiden vorherigen. Ronny und Benigna hatten ihre Gläser nicht angerührt. Die Nudeln standen auf dem Tisch, die Tomatensauce war auch da, aber keiner nahm etwas. Wilhelm war jetzt wieder so heftig berauscht, dass er sich nicht mehr gerade halten konnte.
    »Ronny«, Benigna erhob sich, »ich glaube, dass hier jetzt so weit alles in Ordnung ist, dass wir gehen können. Nicht wahr, Ronny?« Auch Ronny stand auf, nahm seine Jacke und ging langsam in Richtung Küchentür.
    »Warte, Kleiner, du darfst das nur schreiben, wenn du mir sagst, wo der Computer ist. Hörst du, du Schreiberling, hörst du? Du bist doch scharf auf Benigna, das weiß ich, das war doch immer schon so. Sag mir, wo der Computer ist, und ich sage dir, wie du sie kriegst. Sie ist nicht so fein, wie du denkst, du kleiner Scheißer, sie ist nur teuer, diese Nutte. Komm, sag mir, wo der Computer

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