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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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dann allein gelassen. Aber er schafft das, glaube ich.«
    »Das glaube ich auch«, rief Benigna, »und danke, für alles.« Sie winkte den Arbeitern zu, kurbelte das Fenster zurück, gab Gas, worauf der Landrover einen Satz nach vorne tat, und fuhr die Rampe hinauf. Als Benigna und Ronny den Wald verließen und das Schloss vor sich liegen sahen, schien es keinen Schaden genommen zu haben. Nicht einmal Dachziegel waren heruntergeblasen worden. Alles war offenbar wie immer. Sie überquerten die Brücke, und Benigna brachte den Wagen unmittelbar vor dem Eingangstor zum Stehen.
    Das Tor stand offen. »Seltsam«, sagte Benigna und ging zuerst hinein. Im Flur war es schneidend kalt. »Wille?« Keine Antwort. »Wille?«, rief sie lauter. Wieder keine Antwort. »Schauen wir zuerst in der Küche nach.«
    Sie öffnete die Tür. In der Küche war es nicht ganz so kalt wie im Rest des Hauses. Und am Tisch hing, mit dem Kopf auf der Platte, Wilhelm af Sthen, vor sich eine fast leere Flasche italienischen Rotweins.
    »Wille!« Langsam hob er den Kopf, dann blickte er die Ankömmlinge an. Er sah furchtbar aus und schien sie nicht zu erkennen. Das linke Auge war dick und blau angeschwollen. Über die Stirn zog sich eine offenbar noch frische Wunde, die Lippe war aufgeschlagen. Er versuchte, sich zu erheben, hatte aber große Mühe, seine Glieder zu koordinieren.
    »Wachet auf, Verdammte dieser Erde«, lallte er.
    »Wille, was ist passiert?«, rief Benigna.
    »Benigna.« Wilhelm schien sich allmählich zu orientieren. »Da«, sagte er dann, und noch einmal »da«, wie ein kleines Kind. Er fuchtelte mit der Hand in Richtung Küchentür.
    »Was ist mit deinem Kopf?«
    »Schläge. Schläger«, sagte Wilhelm. Das Sprechen fiel ihm sichtlich schwer, offenbar nicht nur, weil er so betrunken war. Er schien Schmerzen zu haben. »Mit dem Lastwagen. Keine Arbeiter, Schläger.« Wieder fuchtelte er mit der Hand in Richtung Küchentür.
    »Komm«, sagte Ronny zu Benigna, »komm, wir müssen ihn hinlegen und einen Arzt holen.«
    Einen Augenblick später, mit einer einzigen, schnellen Bewegung, hatte Wilhelm den völlig überraschten Ronny mit einem eisernen Griff am Hals gepackt. »Brauche keinen Arzt«, bellte er, »die Server! Du kleiner Scheißer!« Dann zog er Ronny Gustavsson aus der Küche und schob ihn hinüber in den großen Saal, in dem die Server standen.
    Ein Sturm hatte offenbar auch in diesem Raum gewütet. Kein Monitor, kein Rahmen, der nicht zerschlagen worden war. Überall herausgerissene Kabel, gekippte Racks, zerschmetterte Tastaturen.
    Ronny stand fassungslos vor der Zerstörung. Dann fiel ihm etwas auf: »Die Hosts sind weg, es sind keine Festplatten mehr da!«
    »Warst du das?«, fragte Benigna den Betrunkenen, und ihr Ton war kläglich.
    »Dummes Zeug«, lallte Wilhelm , »Schläger, Lastwagen.« Dann kippte er nach hinten, und es gelang Ronny nur mit Mühe, den großen Mann aufzufangen.
    »Sollen wir die Polizei holen?«, fragte Ronny.
    »Bist du wahnsinnig?« Wilhelm bäumte sich noch einmal auf, bevor er endgültig nach hinten sank.
    »Wir bringen ihn zuerst ins Bett«, entschied Benigna, »dann schauen wir uns um.«
    Ronny stellte sich hinter Wilhelm, fasste seinen linken Arm im Rettungsgriff und hob ihn an. »Komm«, sagte er zu Benigna, »das ist jetzt wie im Lehrgang für den Führerschein. Nimm die Beine.« Wilhelm war ein großer Mann. Mit Mühe wuchteten sie ihn, Stufe für Stufe, die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer. Dort kippten sie ihn auf das Bett, angezogen.
    »Wir müssen ihn in die stabile Seitenlage legen«, sagte Benigna.
    »Als Erinnerung an deine Führerscheinprüfung?«, antwortete Ronny, »oder aus Erfahrung mit Betrunkenen?«
    »Ach, red nicht.« Nur die Schuhe streiften sie ihm ab, und dann deckten sie ihn zu. Er schien davon gar nichts mehr zu bemerken. Schließlich gingen Benigna und Ronny zurück in die Küche.
    »Wir müssen wohl hierbleiben«, sagte Ronny, »und von Zeit zu Zeit nach ihm gucken.«
    »Ja, ich mache Feuer im Herd. Aber mich wundert, dass auch Wille keine Heizung mehr hat. Er müsste doch Generatoren besitzen, für den Notfall, so groß wie das hier ist, und wegen der ganzen Computer.«
    »Ich schau mal.« Ronny ging hinüber in den Saal mit der zerstörten Computerzentrale. Wer immer hier zugeschlagen hatte, wollte wirklich alles zerstören, so dass nichts mehr übrig blieb – und andererseits wusste er genau, welche Teile der Anlage die wirklich entscheidenden sind. Wie

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