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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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verletzen, weder dich noch Benigna. Ich war verzweifelt und betrunken.«
    »Das habe ich gemerkt.«
    »Gut, es ist geschehen, ist schon gut. Ich muss trotzdem mit dir reden.«
    »Wo bist du?«
    »Unterwegs. Ein paar Kilometer nördlich von Värnamo, auf der Europastraße  4 . Ich war gestern Abend in Stockholm und bin jetzt auf der Rückfahrt. Sag, können wir uns treffen? Kannst du mir entgegenkommen?«
    »Hör mal, es ist sechs Uhr früh. Warum denn um Gottes willen?«
    »Sie haben den Wagen, das weiß ich. Und du hast ein Manuskript gelesen, das nicht für dich bestimmt war.«
    »Wille, was soll das?« Ronny war erschrocken: Wer, außer ihm und Pelle Larsson, konnte wissen, dass er das Manuskript gelesen hatte?
    »Ronny, es ist besser, wenn wir uns jetzt nichts mehr vormachen. Können wir uns treffen, so schnell wie möglich? Ich weiß eine ganze Menge, zum Beispiel, dass jetzt die Reichskriminalpolizei nach mir sucht. Sie wird mich auch finden. Aber du wirst ihr jetzt nichts sagen, nicht wahr, der Staat ist dann doch der Feind, oder nicht?«
    »Sag mir, warum ich dich treffen soll.«
    »Wegen Katarina. Und wegen Benigna.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich werde es dir erklären.«
    »Na gut. Wo?«
    »Ich biege gleich ab und fahre hinüber auf die E  22 . Wenn du jetzt aufbrichst, könnten wir uns ein wenig nördlich von Älmhult treffen. Dort gibt es einen Diner. Das einzige, was hier in der Gegend vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet hat. Er heißt ›Moondance‹ oder so ähnlich.«
    »Kenn ich. Allzu gut.«
    »Also dann, in einer guten halben Stunde.«
    Ronny brauchte nur ein paar Minuten, um sich zu waschen und anzuziehen. Er war tief beunruhigt und überlegte eine Weile. Sollte er? Konnte er? Schließlich schickte er eine SMS an Pelle Larsson:
    »Pelle, ruf mich um neun Uhr an. Wenn du mich nicht erreichst, benutze die App ›Find my iPhone‹ auf meinem Computer. Das Passwort heißt ›Rhizom‹. Die Wohnungstür ist nicht abgeschlossen. Der Computer steht auf meinem Tisch.«
    Es war sehr kalt geworden, und es war noch tiefschwarze Nacht. Zwar lag nicht viel Schnee, doch es wehte ein scharfer Wind, der immer wieder kleine, harte Kristalle in lichten Wolken vor sich hertrieb. Sie sammelten sich in windstillen Ecken, und sie ließen die Straßen und Wege glatt werden. Über Västra Storgatan, der Hauptstraße von Osby, schaukelten die gelben Laternen, aber es war keiner da, dem sie hätten leuchten können. Und auf weiten Flächen fehlte nun der Wald, der diesen Wind hätte bremsen können. Auf den großen Straßen, auch auf der E  22 von Hässleholm nach Växjö, waren zwar die Streufahrzeuge im Einsatz. Doch war, wer es nicht unbedingt musste, in dieser Nacht nicht unterwegs. Die Menschen hatten sich in ihren Häusern verkrochen, und wer das Bett nicht verlassen musste, der tat es nicht.
    Das Schloss an Ronnys Toyota war eingefroren. Er wärmte es mit der Hand, er atmete es an, nach zehn Minuten ließ es sich öffnen. Ronny wurde nervös. Die Straßen waren glatt, er musste langsam fahren und brauchte fast eine Stunde, bis er den Diner erreichte. Früher hatte sich hinter dem Schuppen und der dazugehörigen Tankstelle ein Wald erhoben. Jetzt gab es ihn nicht mehr. Auf dem Parkplatz standen die schweren Fahrzeuge der Waldarbeiter, die sich gerade ihre orangefarbenen Overalls überzogen. Offenbar sollte jetzt im Wald hinter dem Diner aufgeräumt werden. Im Hintergrund jaulte die erste Motorsäge auf. Der dunkelgraue Audi A  6 Allroad parkte vor der Tür.
    »Na, Ronny?« Wilhelm blickte von seinem Kaffee auf. Er sah immer noch furchtbar aus, blaugeschlagen und übernächtigt.
    »Warum hast du mich gerufen?«
    »Weil es mir an den Kragen geht, und das weißt du so gut wie ich.«
    »Du hast Ärger, das habe ich verstanden. Aber ich weiß nicht, was das für ein Ärger ist und warum du ihn hast. Vielleicht will ich das auch gar nicht wissen.«
    »Mach dich nicht dümmer, als du bist. Oder hast du etwa nicht gelesen, was dieser Deutsche geschrieben hat?« Ronny schwieg, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.Die Bedienung kam, dieselbe scharf blondierte, grell geschminkte, dicke junge Frau, der Ronny bei seinen ersten beiden Besuchen in diesem Lokal begegnet war. Offenbar schlief sie dort. Sie grüßte ihn wie einen alten Bekannten: »Tjänare. Einen Kaffee?« Ronny nickte. »Gibt es ein Käsebrot?« – »Für dich immer, Schatzi.« – »Danke.«
    Es schien, als wollten Wilhelm im nächsten Moment

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