Der Sturm
die Augen zufallen. So wie er da saß, verletzt, erschöpft, offenbar am Ende seiner Möglichkeiten, tat er Ronny leid.
»Bist du die Nacht durchgefahren?«
»Ja. Ich war in Stockholm, aufräumen.«
»Du willst dich ja jetzt um dein Land und deine Bauern kümmern. Das habe ich gelesen. Aber deswegen hat man dich doch nicht so zugerichtet. Und deine Computer zerschlagen.«
Ein müder, kalter Blick traf den Reporter.
»Ronny?«
»Woher weißt du, was ich gelesen habe?«
»Du passt nicht auf. Ich kann dir das nicht alles erklären, jedenfalls jetzt nicht. Ich habe keine Zeit mehr. So ein Computer ist jedenfalls eine ziemlich öffentliche Sache, deiner sowieso. Aber hör zu: Du weißt vermutlich wirklich nicht, wo das Notebook des Jungen ist, Magnus’ Computer. Ich glaube nicht, nicht mehr, dass du mir da etwas vormachst. Aber wenn du es nicht weißt, musst du dich darum kümmern. Nicht meinetwegen. Aber wegen Katarina. Und wegen Benigna.«
Ronny sagte nichts. Er verzog nicht einmal das Gesicht.
»Ronny, dein Leben ist kein Geheimnis.« Wilhelm wirkte plötzlich bedrohlich. »Und es gibt vermutlich mehr Leute, die etwas darüber wissen, als du überhaupt ahnen kannst. Das gilt für den ›Sozialistischen Kampfbund Osby‹, den du damals mit deinem Freund Mats Eliasson gegründet hast, das gilt für deine Jahre unter linken Verschwörern in Paris, und das gilt für euer verrücktes Projekt einer anarchistischen Internationale, damals in Italien, mit Benigna und dir. Ihr wart manchmal sehr nah dran an echten, großen Straftaten, vermute ich, und ihr hättet sie begangen, wenn ihr nur gewusst hättet, wie man das macht. Es ist so töricht, die Banken mit Bomben bekämpfen zu wollen. Aber glaub bloß nicht, dass die das vergessen haben. Der Staat ist sehr nachtragend, wenn es um das Gewaltmonopol geht. Glaub nicht, dass man daraus nichts mehr machen kann. Alles geht. Alles geht.«
Ronny verzog das Gesicht immer noch nicht. Mit starrer Miene schaute er den Freiherrn an. Aber ein Groll stieg in ihm auf, eine plötzliche, wilde Wut auf Wilhelm, auf das ganze Krakenhafte, Erpresserische an diesem Freiherrn und auf die eigene Unterlegenheit.
»Warum hast du mir im Frühjahr diese Mail geschickt, dieses Zitat von Dostojewskij, darüber, dass wir jetzt einen neuen Despotismus brauchen?«
»Was habe ich? Ich habe dir keine Mail mit einem solchen Quatsch geschrieben.«
»Die Mail trug deine Adresse.«
Ronny wurde wütend, er fühlte sich ausgeliefert und betrogen. Das merkte der Freiherr. Seine Miene änderte sich.
»Das war Magnus, nehme ich an, vielleicht als Gruß unter Gleichgesinnten, ich weiß es nicht, oder als Warnung, keine Ahnung,« sagte er, sanfter. »Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Ich werde aus dieser Geschichte nicht heil herauskommen, Ronny.« Wilhelm war jetzt wie verwandelt, er hatte seine Stimme gesenkt. Sie war nun rau und heiser. Eine große Intimität war plötzlich im Raum, eine Vertraulichkeit, auf die sich Ronny jetzt widerstrebend einließ. »Wenn ich Glück habe, wenn es gutgeht, bin ich für ein paar Monate oder Jahre fort, und dann komme ich wieder.«
»Ist die Polizei hinter dir her?«, fragte Ronny.
Wilhelm lachte harsch auf. »Du bist doch wirklich ein treuer Untertan. Ja, klar ist auch die Polizei hinter mir her, und der Staatsanwalt. Aber das ist eher die harmlose Seite. Wenn die kommen, nehmen sie einen bloß fest.«
»Was willst du von mir?«
»Noch einmal: Sieh zu, dass Magnus’ Computer nicht in andere Hände gerät. Du kannst ihn meinetwegen im See versenken oder in einer tiefen Höhle vergraben oder mit der Dampfwalze darauf herumfahren. Aber es darf ihn keiner haben. Du weißt schon, warum.«
»Was ist auf dem Computer?«
»Vergiss es, das spielt keine Rolle. Er muss weg, das ist das einzig Wichtige. Es geht jetzt alles kaputt, und wenn wir etwas retten wollen, darf es diesen Computer nicht mehr geben.«
»Als im Frühjahr bei mir eingebrochen und mein Notebook gestohlen wurde – warst du das?«
»Das war ich nicht, das war Olle, und du hast es ihm offenbar sehr leichtgemacht. Ich wollte die beiden Frauen schützen, es war wichtig. Aber du warst ja unschuldig wie ein Lamm.«
»Und wo ist der Computer, ich meine: Magnus’ Computer?«
»Ach, mein Gott, wenn du immer so langsam denkst«, Wilhelm bellte mehr, als dass er lachte, »woher soll ich das wissen? Das ist doch das Problem. Aber er wird nicht weit sein.«
»Katarina ist deine Tochter?«
»Ja, aber
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