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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Johansson
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Kreisen.«
    »Und von einem Amerikaner sprach er. Ich solle mich vor einem Amerikaner in Acht nehmen.«
    »Weißt du, wen er meint?«
    »Vielleicht. Ja, doch, vermutlich. Du denkst wahrscheinlich auch an den Amerikaner, von dem in diesem Manuskript die Rede ist. Der war auch auf Wilhelms Konferenz im September. Die waren ja unzertrennlich. Irgendwie sah das nach einem Deal aus. Aber das ist deine Arbeit, nicht meine.«
    »Es ist nicht mehr meine Arbeit. Ich bin ja nur mehr aus Neugier hier. Die Arbeit machen jetzt die Kollegen von der Reichskriminalpolizei. Sie sind schon unterwegs. Mein Job ist jetzt die Spurensicherung vor Ort, und auch nicht hier, denn hier ist ja Småland. «
    »Hast du die Techniker gerufen?«, fragte Ronny.
    »Die Kollegen aus Småland haben sie gerufen, selbstverständlich. Auch wenn das hier erst einmal nach einem Unfall aussieht. In den vergangenen Tagen hat es ja eine ganze Reihe solcher Fälle gegeben, Leute, die von Bäumen erschlagen wurden. Irgendjemand hat mir erzählt, dass diese Arbeiten nach einem Sturm so gefährlich sind, dass Leute, die so etwas professionell machen, eigene Lebensversicherungen brauchen. Hat es eigentlich keine anderen Menschen im Gebäude gegeben?«
    »Da war nur noch die Bedienung, die blonde, du kennst sie ja. Als sie unter dem Baum hervorgezogen wurde, schrie und schimpfte sie. Sie war sehr lebendig. Ich glaube nicht, dass sie sich etwas getan hat. Und – du weißt, dass du mir das Leben gerettet hast, nicht wahr, Pelle? Hättest du nicht angerufen, wäre ich nicht hinausgegangen.«
    »Das war Zufall.«
    »Trotzdem. Danke.«
    »Weißt du, wohin Wilhelm gebracht wurde?«
    »Zuerst nach Växjö, hieß es. Dann werde man sehen. Kann ich jetzt eigentlich fahren?«
    »Kannst du. Wir haben ja alle deine Daten, wir kennen dich ja, und du läufst nicht weg. Denk aber noch mal über den Amerikaner nach. Ich ruf dich an.«
    Auf der Fahrt zurück nach Osby hörte Ronny nicht, wie sonst so oft, den Lokalsender, sondern P  1 , den seriösen Rundfunksender für ganz Schweden. Die Nachricht über das Unglück nördlich von Älmhult hatte es schon an die erste Stelle gebracht. Kein Wunder, dachte Ronny, Wilhelm ist ja eine nationale Berühmtheit. Noch gebe es keine Informationen zur Schwere seiner Verletzungen, hieß es, Augenzeugen berichteten jedoch, er sei bei seinem Abtransport bei Bewusstsein gewesen. Die Augenzeugen, dachte Ronny, das bin ich. Die Kommentare zu diesem Ereignis klangen aber schon wie Nachrufe auf Wilhelm af Sthen, mehr aber noch auf seine Partei. Sie schien sich jetzt wie von selbst aufzulösen, mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Es sei dem Sender nicht gelungen, sagte der Moderator, im Büro der Partei jemanden zu finden, der zu einer offiziellen Stellungnahme bereit gewesen wäre.
    Ronny wurde wehmütig, er wunderte sich selbst darüber. Wilhelm af Sthen war überhaupt kein Freund gewesen. Da war ein gewaltiger Klassenunterschied, ein manchmal unfassbarer Hochmut und noch viel mehr. Und es hatte Momente gegeben, in denen er Wilhelm gehasst hatte, wegen seiner Anmaßung, seines adligen Dünkels, seiner Verachtung für gewöhnliche Menschen. Aber für die modernen Zeiten war der Herr von Ekeby Gård ein seltenes und bedeutendes Exemplar einer ausgestorbenen Spezies gewesen. Er hatte alle Charakterzüge eines feudalen Patriarchen besessen.
    Die Zeitung rief an: Er solle doch bitte den Bericht selber schreiben, für die erste Seite, die ganze erste Seite, schon wieder, selbstverständlich. Er habe doch neuerdings immer so ein Glück mit seinen Geschichten, und die Leute wollten das lesen. Er sei doch jetzt so bekannt geworden. In seinem Büro in Osby angekommen, verfasste Ronny eine Reportage, als der Augenzeuge, der er gewesen war. Er schrieb sie wieder aus seiner Perspektive, in der Ich-Form, und er verbarg seine Trauer nicht. Als er den Artikel nach zwei Stunden abgeschickt hatte, wartete er auf den Anruf des Chefredakteurs. Doch das Telefon klingelte nicht. Stattdessen kam eine SMS : »Es tut mir leid, Ronny. Aber – gute Arbeit. Danke. Mats.«

Neunundvierzig
    Es war früher Abend. Ronny Gustavsson hatte gerade den Computer abgeschaltet und wollte hinunter in den Supermarkt gehen, um sich etwas zu essen zu kaufen, als Benigna Klint auf dem Mobiltelefon anrief.
    »Ronny, ich war bei Wille im Krankenhaus in Växjö, mit Katarina. Er wird jetzt nach Malmö geflogen. Sie sagen, sie hätten das Ausmaß seiner Verletzungen zuerst unterschätzt.

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