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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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setzte es auf den Tisch. Über am Boden verstreute nasse Zeitungen und Zigarettenschachteln stapfte er durch die Halle und wählte einen der unteren Gänge, der mit einem einfachen Geländer versehen war. Der Gang wand sich in flachem Gefälle abwärts. Es schien ein Notausgang zu sein, der am Abhang hinter der Klippe endete. Dorthin hatte eine Abzweigung der Straße geführt, es war Lanyon jedoch unmöglich gewesen, den Wagen dort hineinzulenken, und der Sturm hatte sie an die windabgekehrte Seite der Klippe getragen, von wo aus sie mühsam die fünfzig Fuß zum Bunker hinaufklettern mußten.
    An mehreren Stellen gab es Öffnungen in der Wand, durch die Lanyon die glatte Sandsteinwand gegenüber sehen konnte. Sturmböen pfiffen hinunter in die Schlucht, doch an den Felsrändern klammerten sich immer noch kleinere Föhren und Dornsträucher fest. Vermutlich konnten sie diesen Weg benutzen, falls er in die richtige Richtung führte.
    Unten angekommen, trat er aus der Höhlenöffnung hinaus und sah sich um. Zu beiden Seiten stiegen die Klippen dreihundert Fuß in die Höhe. Von oben kamen unaufhörlich Stein- und Felsbrocken herunter und schlugen zu Lanyons Füßen auf. Er preßte sich an die Felswand und schob sich durch den Sog des Windes weiter, um zu sehen, wohin der schmale Korridor führte. Hin und wieder schützten ihn überhängende Felsplatten vor dem Steinschlag. Die Gießbachbetten führten in die Hügel, und das ganze System schien nach Südwesten zu verlaufen; auf Genua und das Meer zu.
    Nach hundert Yards kehrte er um und ging zurück in die Höhle.
    Als er den Bunker betrat, saß Patricia aufrecht und kämmte sich im Spiegel ihrer Puderdose das Haar. Sie hatte die Handtasche mitsamt dem Make-up verloren, doch ihre Lippen waren voll und rot, ihre Haut wie Honig, und sie sah frisch und gesund aus, obwohl sie während der letzten Tage mit ungenügender Nahrung und einem Minimum an Schlaf hatte auskommen müssen.
    »Hallo, Steve!« Sie sah lächelnd zu ihm auf. »Gibt's was Neues?«
    »Bläst noch immer ganz schön«, sagte er. »Sieht aus, als ginge es auf zweihundert Meilen zu. Wie fühlst du dich?«
    »Herrlich. Dieses Leben tut einem wirklich gut.« Sie griff nach seiner Hand. Die Revers der Windjacke glitten zurück.
    »Hoppla!« sagte sie und zog Lanyon zu sich herunter. »Außer uns noch jemand da?«
    Lanyon schüttelte den Kopf und lächelte sie liebevoll an.
    »Nein. Aber mach nur weiter, ich seh' gerne zu.«
    Patricia legte ihm den Finger an die Nasenspitze und schob ihn zurück. »Na, na, Commander! Stecken Sie Ihr vorwitziges Periskop weg! Außerdem sind Sie unrasiert!«
    Lanyon nahm sie in die Arme und küßte sie fest auf den Mund. Dann setzte er sich auf und sah auf die Uhr. »Pat, so ungern ich der Party ein Ende mache, aber wenn wir hier 'rauswollen, müssen wir langsam starten. Fühlst du dich kräftig genug?«
    Sie lehnte sich zurück, nickte und legte ihm die Hand auf den Arm. »So eben. Was tun wir also?«
    »Ich habe eine Schlucht entdeckt, die auf die Stadt zuläuft. Wenn wir Glück haben, kommen wir bis an die Vororte, wo uns vielleicht ein Militärtransporter mitnimmt.« Wieder sah er auf die Uhr. »Ich fürchte, wenn wir nicht bald hinkommen, wird Matheson versehentlich das Boot versenken. Oder sie setzen ihn auf ein anderes, ebenso sinnloses Unternehmen an.«
    Er stand auf und holte aus dem Brotbeutel, der unter der Schießscharte hing, eine Konservendose. Er öffnete sie und trug sie zusammen mit dem Kochgeschirr zu Patricia hinüber.
    »Besser, du ißt noch was von dem Zeug hier, wenn's auch nicht sehr appetitlich aussieht. Zum Trost laß dir sagen, es ist kaum schlechter als das Essen auf der Terrapin .«
    Patricia schob mit der Gabel ein Stück Fleisch in den Mund und zog ein Gesicht. »Teufel, Teufel, vielleicht sollte ich doch lieber nicht mit dir gehen.« Dann wurde ihr Gesicht ernst. »Steve, glaubst du wirklich, daß sie mich mitnehmen? Ich weiß, du bist der Captain, aber wenn sich's die Admiralsfrauen bequem gemacht haben, ist vielleicht kein Platz mehr für ein einfaches Mädchen von der NBC.«
    Lanyon lächelte. »Keine Angst. Soviel Admiralsfrauen gibt's hier in der Gegend nicht. Du kommst an Bord, selbst wenn ich dich heiraten müßte.«
    »Selbst wenn?« neckte ihn Patricia. »Danke.«
    Ein Sturmwirbel, der die Klippenwand herunterfuhr, rüttelte an den Steinen, die sie in die Schießscharte gestopft hatten, und blies ihnen eine Wolke von Staub ins Gesicht Lanyon

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