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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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nahm Pat beruhigend bei der Hand und zog sie auf die Füße.
     
    In der Schlucht bewegten sie sich vorsichtig an der Ostwand entlang, wo sie durch Überhänge vor dem ständigen Steinschlag geschützt waren. Ließ er kurz nach, rannten sie weiter. Sturm umtoste sie, Luftwirbel lösten sich von den Oberkanten der Schlucht und prallten explosionsartig dreihundert Fuß tiefer auf. Hoch über ihnen klammerten sich ein paar einsame Föhren an die Felsfläche; ihre Silhouetten waren verwischt, so sehr zerrte der Sturm an ihnen.
    Sie erreichten den Punkt, bis zu dem Lanyon vorhin vorgedrungen war. Hier teilte sich die Schlucht; der breitere, nördliche Arm vergrößerte sich allmählich zu einem weiten Tal über das der Luftstrom hinwegfegte wie eine riesige Woge und jeden Felsbrocken, jeden letzten Rest von Vegetation mit sich nahm. Lanyon erkannte, daß der Sog sie, wagten sie sich in dieses Tal hinein, senkrecht in die Höhe ziehen und sie weit nach Westen auf die Hügel zu wirbeln würde.
    Der südliche Arm war kaum mehr als eine schmale Felsspalte. Früher einmal war ein Flüßchen hindurchgelaufen, und die Steine lagen glatt und poliert im immer noch sandigen Bett.
    Vorsichtig kletterten sie darin weiter. Über ihnen links fiel irgendwo Tageslicht herein. Lanyon hielt Patricias Hand und dirigierte sie über schwere Felsblöcke und -zacken, über glattgewaschene Steinplatten.
    Eine halbe Stunde lang zogen sie stetig nach Osten und hatten, wie Lanyon schätzte, mindestens eine Meile zurückgelegt. Bald mußten die Vororte ins Blickfeld kommen. Hier mündete die Felsspalte in einen schmalen Canyon, dessen steile Ostwand die baumbestandenen Hänge, die sich vor ihnen erstreckten, vor dem Wind schützte.
    Patricia packte Lanyons Arm.
    »Steve sieh mal! Da drüben. Ist das ein Bauernhaus?«
    Lanyon folgte ihrem Finger und entdeckte die Überreste einer mit Zinnen versehenen Mauer, die an einer den Canyon weit hinten kreuzenden Straße entlanglief.
    »Vielleicht gehört sie zu einem alten Schloß«, meinte Lanyon. »Wenn wir Glück haben, sind noch Leute dort. Komm.«
    Zu ihrer Rechten stieg der Boden hundertfünfzig Fuß hoch steil empor. Auf einem Vorsprung lag ein Gebäude, das einmal ein Kloster gewesen sein mußte, ein langer, zweistöckiger Komplex aus massiven Steinmauern und Arkaden, fünf- bis sechshundert Jahre alt. Das obere Stockwerk und das Dach waren fortgeweht, der untere Teil jedoch, direkt unter dem Grat, war noch heil, denn er war tief in die Felswand hineingebettet.
    Die Mauerruine umschloß Reste eines Obst- und Weingartens. Etwa in der Mitte führte ein Torbogen in einen von niedrigen Nebengebäuden umstandenen Hof. Lanyon nahm Patricias Arm, und geduckt kämpften sie sich an der niedrigen Mauer entlang auf den Eingang zu. Vor einer Tür blieben sie stehen, und Lanyon schlug mit der Faust an die schweren, hölzernen Läden.
    »Niemand da!« schrie er Patricia zu. »Komm, versuchen wir, ob wir so 'reinkommen.« Sie versuchten es an allen Fenstern und Türen im Hof. Alle Eingänge waren sorgfältig verschlossen, die Türen verriegelt und mit Vorhängeschlössern gesichert. Lanyon deutete auf den runden Steindeckel der Kornrutsche, der in die Pflastersteine eingelassen war.
    »Möglich daß wir da durchkommen.« Er zog sein Messer heraus, klappte es auf und schob die Klinge unter den Deckel. Er zog und zerrte so lange, bis er die schwere Platte freibekam, schleppte sie zur Seite und spähte in den Schacht hinein. Fünfzehn Fuß tiefer endete die blanke Metallrutsche in einem der Vorratssilos – hölzerne Verschläge, die halb mit Korn gefüllt waren Lanyon hielt Patricia an beiden Händen fest und ließ sie langsam die schräge Bahn hinabgleiten, bis sie im Halbdämmer verschwand.
    Rasch folgte er ihr nach und versank beim Landen bis zu den Hüften im weich raschelnden Korn. Sie klopften sich gegenseitig ab. Patricia stützte sich auf Lanyons Schulter, und sie schlichen durch das Gewölbe auf ein paar flache Stufen zu die in einen zweiten Vorratsraum führten. Hier und da fiel durch enge Gitterstäbe Licht herein und hob die verschwommenen Konturen massiver Säulen und die gewölbte Decke aus dem Dunkel.
    Der nächste Vorratsraum war leer. Sie durchquerten ihn und stiegen ein paar ausgetretene Stufen in den Keller des Klosters selbst hinunter.
    »Sieht aus, als wäre das Kloster lange nicht bewohnt worden«, meinte Lanyon. »Wahrscheinlich beackern die Bauern der Umgegend das Land und lagern hier ihr

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