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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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Lanyon ins Sprachrohr und klammerte sich fest, während die Dieselmaschinen umschalteten und das Boot im eigenen Kielwasser zurücklief. Nach fünfzig Yards ließ Lanyon halten und beobachtete, wie sich das abgebrochene Deckenstück im Eingang festsetzte. Es hing senkrecht von den die Decke verstärkenden Stützträgern herab, und die nachdrückenden Wellen keilten es immer fester.
    Matheson schlug mit der Faust auf das Schanzkleid des Turmes. »Wir sind gefangen, Steve! Um Gottes willen! Das kriegen wir nie von der Stelle!« schrie er.
    Lanyon schenkte ihm keine Beachtung, sondern nahm das Sprachrohr zur Hand. »Klar zum Torpedoschießen auf Steuerbord! Rohr zwo laden!«
    Während er auf die Klarmeldung wartete, wandte er sich an Matheson. »Wir sprengen uns einen Weg, Paul. Der Brocken da ist mindestens fünfzehn Fuß dick und muß fünfhundert Tonnen wiegen. Es ist die einzige Möglichkeit.«
    Als die Klarmeldung kam, steuerte die Terrapin nach achtern bis ganz an die Rückwand heran, so daß zwischen ihnen und dem Eingang hundertfünfzig Yards freies Wasser lagen. Dann richtete er den Bug sorgfältig auf das Ziel und schrie ins Rohr: »Rohr zwei fluten!« Er machte eine Pause, da der Bug leicht abdrehte, und richtete ihn abermals aufs Ziel. »Feuer!«
    In einer Wolke von Luftblasen schoß der Torpedo aus dem Rohr und pflügte drei Fuß unter der Oberfläche wie ein riesiger Hai durchs Wasser. Lanyon verfolgte ihn mit den Augen, bis er noch zwanzig Yards von dem blockierten Eingang entfernt war, dann duckte er sich und schrie den anderen zu, es ebenso zu machen.
    Sie warfen sich hin. Er griff nach dem Sprachrohr und schrie: »Äußerste Kraft voraus! Äußerste Kraft voraus!«
    Als die Schrauben das Wasser peitschten und die Terrapin vorwärts drückten, explodierte der Torpedo am Ziel. Ein greller Blitz durchzuckte den Bunker, gefolgt von einer ungeheuren Eruption berstenden Betons und Wassers, das aus dem Eingang herausschoß wie der Korken aus einer Champagnerflasche. Gleichzeitig rollte eine fünfzehn Fuß hohe Woge der Länge nach durch den Bunker, ein schwerer schäumender Brecher, der Beton- und Metalltrümmer mitschleppte. Die Terrapin machte fünfzehn Knoten, als sie auf halbem Wege mit der Woge zusammenstieß. Durch den Anprall verlangsamte sich ihre Fahrt etwas, der Turm kratzte an der Wand entlang und nahm ein Stückchen Pier mit. Dann rauschte sie wieder vorwärts und schob sich glatt durch den nun freiliegenden Eingang in den Hafen hinaus. Einen Augenblick hob sich der Bug unter den anstürmenden Wellen hoch hinaus, dann sank er tief hinunter ins Becken, und rasch verschwanden unter dem Zischen ausströmender Luft Turm und Heck im kochenden Wasser.
     
    Endlich war die Pyramide vollendet.
    Mühsam rutschten die letzten Arbeiter die glatten, schrägen Flanken hinab und entfernten die Gerüste. Ihr Werkzeug ließen sie liegen. Einer nach dem anderen arbeiteten sie sich, nach einem kurzen Blick zur Spitze des Bauwerks, die sich grauschimmernd in die schwarze, wirbelnde Luft erhob, zur Falltür durch, die zwischen zwei Schutzwällen tief in den Boden eingelassen war. Rasch verschwanden sie aus dem Blickfeld, und im Schatten der gewölbten Windschilde blieb nur noch eine einsame Gestalt übrig. Einen Augenblick stand sie da in der Staubwolke, die der Sturmwind über die Schilder trieb, stand schwankend in dem ungeheuren Wirbel der Luft. Dann wandte sie sich um und verschwand ebenfalls in der Falltür die sich hinter ihr schloß.
    Die Windstärke stieg. Wütend fuhr der Sturm in die Schilde, riß die Platten fort, die Trossen eine nach der anderen, knickte die Betonpfeiler an den Wurzeln und pfiff durch die breiten Risse.
    Plötzlich wurde der Druck zu stark. Mit einem ungeheuren Knall platzte die schon aufgerissene Schutzwand, und die letzten Platten segelten davon in die Luft hinauf, prallten von den Pyramidenwänden ab und rissen die zerfransten Reste der verschlungenen Trossen, die Sockel der Pfeiler und Stützen mit. Nunmehr schutzlos, krachten die Reihen der im Windschatten der Wand geparkten Fahrzeuge ineinander, wurden wieder auseinandergerissen, rollten kopfüber an den unteren Schrägen der Pyramide entlang, wurden zusehends schneller und flogen davon in das Dunkel des rasenden Himmels. Und nur die Pyramide blieb.

6
     
     
    Ehe Marshall die Räume der Nachrichtenabteilung betrat, blieb er einen Augenblick im Türrahmen stehen, um nicht in den Hagel von Gipsbrocken zu geraten, der eben von der

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