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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Aufzug setzte sich in Bewegung. Chris starrte auf die Anzeigetafel, doch nichts veränderte sich. Immer noch leuchtete der Knopf UII für zweites Untergeschoss. Dann erlosch er. Chris versuchte, ein wachsendes Unbehagen niederzukämpfen.
    »Fährt er oder fährt er nicht?«, fragte er.
    »Mir egal, solange ich mich nicht bewegen muss. Ich merke erst jetzt, wie sehr ich am Arsch bin.« Ben schloss müde die Augen. »Weck mich, wenn wir irgendwo angekommen sind.«
    »Hast du die Mädchen vergessen?«, fragte Chris gereizt.
    »Ich bin doch angeblich schwul, oder?«, murmelte Benjamin und sein Mund bewegte sich nicht einmal mehr beim Sprechen.
    Chris wusste nicht, ob er seinen Freund überhaupt richtig verstanden hatte, aber es war ihm auch egal, denn plötzlich setzte sich der Aufzug in Bewegung. Aber es kam ihm vor, als ob sie abwärtsfuhren. Was nicht sein konnte, denn außer Fels und Stein kam nichts mehr unter dem zweiten Untergeschoss.
    Wieder ging ein Ruck durch den Aufzug.
    Wieder leuchtete der Knopf UII, dann UI.
    Chris fühlte ein Sausen in seinen Ohren.
    Er konzentrierte sich auf den Boden, wo er einen riesigen dunklen Fleck auf dem abgetretenen braunen Teppich entdeckte. Je länger er ihn anstarrte, desto unangenehmer wurde ihm zumute. Etwas reizte ihn, sich hinunterzubeugen, denn sein Gefühl sagte ihm, dieser Fleck sei frisch und feucht.
    Mann, sein Kopf schmerzte und sein Nacken fühlte sich steif an. Er hob den Kopf und starrte auf Benjamin, der immer noch die Augen geschlossen, den Kopf an die Wand gelehnt hatte. Als ob er eingeschlafen sei vor Erschöpfung. Sein Kopf verdeckte halb einen kleinen Spiegel. Und direkt neben Benjamins Wange fiel Chris’ Blick auf etwas. Er beugte sich nach vorne. Ein Fingerabdruck. Zweifellos. Ein Fingerabdruck.
    Chris betrachtete ihn nachdenklich. Nicht verschwommen oder etwa undeutlich zu sehen. Nein. Ganz im Gegenteil. Als hätte jemand seinen Daumen in rote Farbe getaucht, um sich anschließend auf diesem Spiegel zu verewigen.
    Fast wie Blut, schoss es ihm durch den Kopf und er mied es erneut, auf den dunklen feuchten Fleck am Boden zu starren.
    Er verdrängte den Gedanken daran und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
    Julia musste da draußen schon halb erfroren sein. Und dieser verfluchte Aufzug brauchte eine Ewigkeit. Gerade als Chris zu einem Tritt gegen die Wand ausholte, leuchtete die Ziffer Null und die Kabine kam abrupt zum Stehen. Den Bruchteil einer Sekunde tat sich nichts mehr. Dann glitt die Tür auf. Vor ihnen stand breitbeinig Steve Mason und starrte sie entgeistert an.
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte der Securitymann nach einer Schrecksekunde. »Ich dachte, Sie sind längst weg. Ich habe Ihnen doch die Schranke geöffnet.«
    Chris schob sich an dem Wachmann vorbei. »Mann, Sie sind so was von blind und taub! Haben Sie uns überhaupt nicht gehört? Wir versuchen schon seit Stunden, in das verdammte Gebäude zu kommen! Wir müssen die Mädchen hereinlassen. Hoffentlich haben sie sich keine Lungenentzündung geholt.«
    »Was ist denn überhaupt passiert?«, fragte Steve. »Und warum habt ihr nicht geklingelt?«
    »Ach – was meinen Sie denn, was wir gemacht haben?«, erwiderte Benjamin und machte auf dem Absatz kehrt. »Geklingelt, geklopft, angerufen. Haben Sie geschlafen, oder was?«
    »Tja, was für ein Pech«, erklärte Steve mit einem schmierigen Lächeln. »Ich war gerade in der Pause.«
    Die Wut schoss in Chris hoch – dagegen war eine Explosion nichts. Dieser Mund. Dieses Grinsen. Weiße Zähne. Zu weiß, zu perfekt für seinen Geschmack.
    Für einen Moment drehte sich alles in seinem Kopf. Seine Hände – er konnte kaum an sich halten.
    Stopp, Chris!
    Reiß dich zusammen.
    Und er schaffte es tatsächlich, einigermaßen ruhig zu sagen: »Sorgen Sie endlich dafür, dass die Mädchen hereinkommen.«
    Steve musterte ihn stirnrunzelnd, doch dann ging er voraus, den kleinen Flur nach rechts, wo sich das Büro der Security befand. Er schloss die Tür auf, und als er das leere Büro sah, murmelte er: »Ich möchte nur wissen, wo dieser Idiot von Ted ist. Ich hab ihm doch gesagt, dass immer einer von uns hier sein muss.«
    Chris hörte ihm schon nicht mehr zu. Er durchschritt die große Halle, konnte kaum abwarten, bis sich das Gitter laut scheppernd nach oben hob und sich die automatischen Glastüren öffneten. Doch er konnte Julia nirgends entdecken.
    Stattdessen starrte er auf eine weiße Wand. Als hätte jemand einen Vorhang direkt

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