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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Dad gesagt.
    »Chris?« Eine Windböe trug Benjamins Stimme zu ihm. »Ich springe jetzt!«
    Er blickte hoch. Benjamin hatte das Ende des Glasdaches erreicht und hob den Daumen. Im nächsten Moment rutschte er über die Kante und verschwand aus seinem Blickfeld. Und als Chris wieder durch das Dach nach unten sah, war Steve verschwunden.
    Chris hatte immer als der Coole gegolten. Schon in der Highschool hatten ihn die Mädchen angehimmelt, weil er angeblich so schwer zu durchschauen war. Der Typ, der die Sonnenbrille nicht einmal im Winter absetzte. Der niemals eine Schwäche zugab. An diesem Ruf hatte Chris hart gearbeitet – ganz einfach, weil es zu viele Punkte in seinem Leben gab, an denen man ihn verletzen konnte.
    Aber jetzt – hier oben war von dieser Coolness nichts mehr übrig.
    Er fühlte sich jämmerlich.
    Der Schnee klatschte ihm ins Gesicht. Er konnte fast überhaupt nichts mehr sehen, während er sich Zentimeter für Zentimeter weiterschob. Die Nässe hatte längst seine Klamotten durchdrungen und seine Finger fühlten sich an, als ob sie jeden Moment abfallen würden.
    Und irgendwie beschlossen die Neuronen in Chris’ Gehirn, sich in diesem Moment so zu verbinden, dass ihm seine Umgebung und die Lage, in der er sich befand, bewusst wurden.
    Links von ihm glitzerte das graublaue Wasser des Lake Mirror ruhig in seinem Becken, von dem Chris nicht sicher war, ob es tatsächlich durch einen Meteoriten entstanden war. Und immer noch kräuselte kaum eine Welle das Wasser, obwohl der Wind in immer heftigeren Böen über das Dach der Schwimmhalle fegte.
    Dieses Glitzern! Die fehlenden Wellen! War es möglich, dass sich bereits eine Eisschicht auf dem See gebildet hatte? Innerhalb weniger Stunden?
    Von oben senkte sich ein dunkelgrauer Himmel auf ihn herab und Chris dachte wieder an die Insektenwolke. Fast kam es ihm so vor, als seien die einzelnen Schneeflocken winzige Lebewesen, die sich überall an ihm festkrallten. Für einen Moment geriet er in Panik und wollte sie einfach nur von sich abschütteln.
    »Chris?« Benjamins Stimme brachte ihn wieder auf den Boden oder vielmehr auf das Dach zurück. »Chris? Wo bleibst du denn?«
    Er löste den Blick vom Himmel.
    Er musste durchhalten. Für Julia.
    Chris holte tief Luft, spürte die eiskalte Luft in seinen Lungen und schob die Hand erneut über die schneebedeckte Glasscheibe, tastete sich vorwärts – umklammerte die Metallstrebe und zog sich weiter. Und wieder tastete er mit der flachen Hand nach rechts und griff diesmal ins Leere.
    Er hatte es geschafft!
    Er hatte das Ende des Daches erreicht!
    Rechts unter ihm befand sich das Flachdach der Umkleidekabinen. Er rutschte weiter und schwang das rechte Bein, so weit es ging, nach rechts.
    »Chris? Alles okay?«
    Chris konnte Benjamin nun ganz deutlich hören.
    Er zog das linke Bein nach.
    »Hier bin ich«, schrie er in die kalte Luft.
    »Lass dich einfach fallen!«
    Fallen lassen? Dazu gehörte Vertrauen, oder? Und Vertrauen war verdammt schwer für jemanden wie ihn, der gewohnt war, dass so gut wie nichts Bestand hatte im Leben. Er hatte sich nicht einmal auf die Menschen verlassen können, die einem am nächsten standen. Nicht einmal auf sich selbst.
    »Beeil dich! Ich friere mir hier die Eier ab! Oh Mann, Fuck!«
    Oh Fuck!
    So irrsinnig es klang, aber es war genau dieser Fluch, den Benjamin aus vollem Hals schrie, der Chris überzeugte.
    Chris ließ los.
    Ließ sich fallen.
    Sein Oberkörper rutschte zur Seite. Er verlor allen Halt. Und das tat gut!
    Oh Mann, tat das gut! Fuck!

    Nur eine Sekunde später landete Chris auf der zentimeterdicken Schneeschicht des Flachdaches. Obwohl die Beine unter ihm wegrutschten, hatte er das Gefühl, in Sicherheit zu sein.
    Er sah zu Benjamin hinüber. Sein Freund war völlig verschneit und seine Augenbrauen waren weiß verkrustet, als seien sie eingefroren. »Na, war das cool?«, fragte er.
    Chris schüttelte sich den Schnee aus den Haaren.
    »Irgendwann zahle ich dir das heim, du Mistkerl. Ich bin mir sicher, es hätte einen einfacheren Weg gegeben.«
    »Seit wann liegen uns die einfachen Wege?« Ben lachte und Chris fiel mit ein. Ben hatte recht!
    »Hilfst du mir mal?« Benjamin stand schon vor einem der Luftschächte und rüttelte an dem Gitter.
    Es war nahezu unmöglich, aufrecht auf dem Dach zu stehen. Immer wieder traf Chris eine Windböe und ließ ihn schwanken. Unwillkürlich bückte er sich und bewegte sich in geduckter Haltung vorwärts.
    »Diese verfluchte

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