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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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an Feiertagen mitarbeiten. Als Adressat gebe ich den Fachbereich Psychologie an. Dort habe ich eine Freundin, die mir noch einen Gefallen schuldet. Das wäre doch ein Anfang. Und hör zu, mir ist noch eine andere Idee gekommen. Ich werde mit meiner unschätzbaren Sekretärin sprechen und sie bitten, mit den anderen unschätzbaren Sekretärinnen zu reden. Sie alle sind das sine qua non der Universität, das ›ohne die geht nichts‹. Was die nicht wissen, ist wahrscheinlich kaum wissenswert. Sie sollen alle Informationen an mich weiterleiten, und ich, meine Liebe, werde sie an dich weiterleiten.«
    »Edna, du solltest die Ermittlung durchführen.«
    »Natürlich, Kate. Mit deiner Hilfe. Genau so, nur in größerem Rahmen, leite ich die Universität. Was hast du gedacht, wie die Verwaltung arbeitet? Morgen gebe ich die Anzeige auf.«
    Kate wurde klar, daß ihr langes Warten bevorstand, ein Zustand, den sie noch nie gemocht hatte. Aber ihr fiel auf, wie schon häufiger in letzter Zeit, daß mit dem Alterwerden ihre Geduld gewachsen war
    – ebenso wie die Erkenntnis, daß die Dinge zu überstürzen Gefahren barg. Kate ging eine Geschichte durch den Kopf, die sie kürzlich über einen Biologen gehört hatte: Er und seine Studenten beobachte-ten, wie sich ein Schmetterling langsam aus seiner Larve heraus-schälte und sich unter Qualen abmühte, seine fest zusammengefalte-ten Flügel auszubreiten. Der Wissenschaftler, voller Ungeduld, wollte nachhelfen, zog die Flügel auseinander und beschädigte sie für immer. Er hatte seinen Studenten eine Lektion erteilt. Es führte kein Weg daran vorbei – man mußte lernen zu warten.
    In der Zwischenzeit widmete sich Kate dem einzigen greifbaren Beitrag, den die Verwaltung bisher zu ihrem Unterfangen geleistet hatte: einem Ordner mit allen Unterlagen, die die Universität über 51

    Professor Adams besaß. Kate blätterte ihn durch und war verblüfft.
    Wie erwartet, enthielt er die jährlichen Ergänzungen zu Adams’
    curriculum vitae – ebenso wie Angaben über die Höhe seines Gehalts und seiner Freisemester. Außerdem waren in dem Ordner alle Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitte gesammelt, in denen Adams und die Universität erwähnt wurden (woraus Kate schloß, daß die Universität ein Pressebüro unterhielt), ferner eine Liste aller Vorlesungen und Seminare, die Adams gehalten hatte, und deren Teil-nehmerzahlen (Kate hatte keine Ahnung gehabt, daß auch darüber Buch geführt wurde). Außerdem enthielt die Akte Kopien aller Briefe, die Adams je an die Verwaltung geschrieben hatte. Zumeist waren es Beschwerden über irgendeine anstehende, ihm widerstrebende Änderung, oder er forderte Vergünstigungen, angefangen von Reise-zuschüssen bis hin zu der Bitte, Freunde von ihm als außerordentli-che Professoren zu berufen. Dann folgten Beschwerden von Studenten über ihn (bemerkenswert viele, fand Kate; sie hatte bisher nicht gewußt, daß auch so etwas abgeheftet und aufbewahrt wurde). Als nächstes stieß sie auf verschiedene technische Details, wie das Bankkonto, auf das sein Gehalt überwiesen wurde, seine Versicherung, zusätzliche Einzahlungen in seinen Pensionsfonds und Einzelheiten über seine Familie – seine Kinder, seine Ehen. Kate wußte, daß Adams für die Dauer von zwei Jahren Fachbereichsvorsitzender gewesen war, und aus jener Zeit gab es eine ansehnliche Korrespon-denz, vor allem Adams’ von Mal zu Mal verbittertere Beschwerdebriefe an verschiedene Dekane und Vizepräsidenten. Es ging darin um Angelegenheiten seines eigenen Fachbereichs und um die Universitätspolitik insgesamt.
    Natürlich fragte Kate sich, ob über sie eine ähnliche Akte geführt wurde und kam zu dem Schluß, daß dies wohl der Fall war – allerdings war sie nie Fachbereichsvorsitzende gewesen und hatte, soweit sie sich erinnern konnte, auch nie einen Beschwerdebrief an die Verwaltung geschrieben. Ob es studentische Beschwerdebriefe über sie gab oder nicht, würde sie wohl nie erfahren – es sei denn, sie würde ermordet. Erfreut stellte sie fest, daß diese Frage sie nicht besonders interessierte, ja nicht einmal neugierig machte. Ich werde alt, dachte sie.
    Auch Adams war alt geworden. Ein Ordner, in dem die Fakten seines Lebens gesammelt waren, konnte die innere Angst eines Menschen vor dem Alter wohl kaum dokumentieren. Trotzdem wurde diese Angst in Adams’ Akte nur allzu deutlich: Er verriet sie in sei-52

    nem Groll gegen eine Jugend, die Privilegien genoß, die ihm als jungem

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