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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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die Universität alle Reisekosten übernehme, die im Laufe der Untersuchung anfielen. Was allerdings Mr. Gabriel Witherspoon beträfe, so würde Vizepräsident Noble gern persönlich mit Frau Professor Fansler sprechen. Juchhee, dachte Kate, entweder ist dieser Mr. Witherspoon ein großer Wohltäter der Universität oder ein peinlicher Schwachkopf. Aber nach nur dreißig Sekunden Noble’scher Wortkaskaden wußte Kate, daß Gabriel Witherspoon zur ersten Kategorie gehörte. »Ich weiß nicht, wie Sie mit ihm in Kontakt gekommen sind«, sagte Noble und hielt gerade lang genug inne für eine Erklärung, die Kate aber nicht gab. »Sie müssen wissen, er ist einer unserer großzügigsten Spender«, fuhr Noble fort. »Und ich hoffe sehr…« Seine Stimme verebbte. Kate reagierte beruhigend, aber unverbindlich.
    »Ich werde ihn natürlich nicht verschrecken und die Universität als Tummelplatz von Mördern bezeichnen«, sagte sie. »Aber ich muß wissen, was er zu sagen hat, und ihm Fragen stellen. Sollten Ihnen oder sonst jemand in der Verwaltung inzwischen Bedenken hinsichtlich meiner Ermittlung gekommen sein, so wäre jetzt der Zeitpunkt, es zu sagen. Ich werde mit Freuden abdanken. Aber wenn ich weitermachen soll, müssen Sie mir helfen, statt mich ständig zur Vorsicht zu mahnen. Können wir uns darauf einigen, oder möchten Sie Bedenkzeit, ehe ich mich weiter in die Sache vertiefe? Ich kann Mr. Witherspoon oder jedem anderen jederzeit absagen.«
    Noble klang versöhnlich, aber unverkennbar nervös. Kate beschloß, nicht locker zu lassen. »Wenn Sie glauben, Sie könnten diesen Mord, oder sagen wir lieber: dieses Rätsel ohne Erinnerungen, Ressentiments oder böses Blut aufklären, dann sind Sie naiv, und ich muß Sie dringend bitten, das Ganze noch einmal zu über-denken. Ich muß mit den Leuten reden, und dabei werden zweifellos Dinge zur Sprache kommen, die Sie vielleicht nicht gern in den hö-
    heren akademischen Rängen erörtert sehen. Aber das Problem, das wir vor uns haben, läßt sich nicht diskret und hinter den Kulissen lösen. Überlegen Sie es sich also gut. Möchten Sie, daß ich warte, bis Sie sich mit den anderen beraten haben?«
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    »Nein«, sagte Noble ziemlich schroff. »Das wird nicht nötig sein.«
    Kate war sich bewußt, daß ein gewisser unüberhörbarer Spott in ihrer Stimme mitgeschwungen hatte. Die Leute glaubten immer, Geheimnisse könnten unter allen Umständen gewahrt werden. Kates Erfahrung nach gelang das selten genug – und während der Ermittlung in einem Mordfall schon gar nicht.
    Mr. Witherspoon hatte den übermorgigen Tag für ihr Treffen vorgeschlagen. Auf die Minute pünktlich stand Kate vor dem Eingang des Apartmenthauses in der Park Avenue. Der Pförtner griff zum Telefon, um sie anzumelden, und empfahl ihr, im siebten Stock auszusteigen. Mr. Witherspoon bewohnte offenbar eine zweistöckige Wohnung.
    Im siebten Stock öffnete ein Dienstmädchen in weißer Schürze die Tür, und Kate fühlte sich sofort in ihre Kindheit zurückversetzt –
    außer daß sie als Kind, wenn sie ihre Freundinnen besuchte, zum Geschoß mit den Schlaf- und Kinderzimmern fuhr und ins Zentrum des Familienlebens eingeladen war. Der untere Stock war für die Vergnügungen der Erwachsenen gedacht, Sherry in der Bibliothek, förmliches Dinner im Eßzimmer. Meistens wurde den Freundinnen jener Tage das Abendessen auf einem Tablett in ihre Zimmer gebracht – kuschelig, unendlich intim und privilegiert. Oft, erinnerte Kate sich, gab es einen jüngeren Bruder, der sich ihnen nur gar zu gern angeschlossen hätte, es aber unter seiner Würde fand, darum zu bitten. Die nettesten ihrer Freundinnen ließen ihn jeweils herein, forderten als Preis die Hälfte seines Nachtischs – nicht, weil sie ihn unbedingt gewollt hätten, sondern weil der kleine Bruder seinen Stolz wahren konnte, wenn er sich in ihre Gesellschaft einkaufte.
    Einem jüngeren Bruder vorzuspielen, seine Gesellschaft sei er-wünscht, war undenkbar; und Mitleid zu zeigen, wäre ein noch grö-
    ßerer Verstoß gewesen. Wie subtil die Politik im Kinderzimmer doch war, dachte Kate. Sie, die nur zwei viel ältere Brüder hatte, war immer wieder verblüfft gewesen über die Komplikationen der Famili-endynamik.
    Das Mädchen führte Kate in die Bibliothek, wo Mr. Witherspoon aufstand, um sie zu begrüßen. Ob er wohl auch einst ein kleiner Bruder in jener Sphäre gewesen war, an die sie sich gerade erinnert hatte – kurz, ob beide wohl der gleichen

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