Der Sturz aus dem Fenster
er sich mit Erfolg vornehmen, charmant und aufmerksam zu sein – mein eigenes angeknackstes Ego half ihm natürlich beträchtlich dabei. Er tat mir eine ganze Weile lang wirklich gut.«
»Und was geschah dann?«
»Oh, verschiedenes«, sagte PC. »Anfang und Ende solcher Techtelmechtel werden immer zu wichtig genommen, glauben Sie nicht auch? Zum einen lernte ich seine Frau kennen. Sie lehrte Politikwissenschaft an einer amerikanischen Universität, war völlig arglos und viel netter als er. Inzwischen hatte ich ihn besser kennengelernt.
Außerdem erinnerte sich mein Mann daran, daß er mit mir verheiratet war und nicht mit einem Möbelstück. Eins kam zum anderen, und die Geschichte zwischen Adams und mir ging zu Ende. Jetzt, wo ich zum ersten Mal darüber rede, fällt mir etwas ein: Der Anfang vom Ende kam, als ich ihn und seine Frau zufällig auf dem Markt traf. Er machte uns miteinander bekannt, sie begrüßte mich herzlich und er tat so, als kannten wir uns kaum. Er zog eine so abgefeimte Nummer ab, es war abstoßend. Viel mehr gibt es nicht zu erzählen, außer, daß er, auch wenn Sie es sich vielleicht nicht vorstellen können, wirklich seine Vorzüge hatte. Aber gleichzeitig war er ein zutiefst mißtraui-scher und liebesunfähiger Mensch. Ich habe vorhin behauptet, ich könne mir nicht vorstellen, daß jemand ihn ermorden wollte, aber das nehme ich zurück. Als er mir gegenüber plötzlich kühl wurde, war ich ohnehin bereit, ihn fallenzulassen oder fallengelassen zu werden. Aber ich kann mir vorstellen, daß ich sehr wütend, vielleicht sogar rachsüchtig geworden wäre, wenn ich die Trennung nicht gewollt hätte. Hilft Ihnen all das irgendwie weiter?«
»Das tut es. Das Problem ist nur«, seufzte Kate, »daß die neue 68
junge Frau die Situation völlig verändert. Ich meine, es ist ja nicht anzunehmen, daß er in letzter Zeit noch Affären hatte.«
»Sie glauben doch nicht etwa, daß er von einer zornigen Frau ermordet wurde? Er kam schließlich in die Jahre, ich weiß schon, das tun wir alle, aber wer würde unsertwegen aus Liebe oder Eifersucht töten? Und wegen Adams schon gar nicht, meinen Sie nicht auch?
Aber ich will Ihnen etwas erzählen, das wahrscheinlich mehr Aufschluß über ihn gibt.«
»Bitte!« sagte Kate. »Sie müssen ihn um die Zeit gekannt haben, als er sich von seiner ersten Frau abzuseilen begann und mit der neuen anbändelte. Oder war Ihre Zeit davor?«
»Lange davor, würde ich meinen«, sagte PC. »Aber erzählen wollte ich Ihnen, daß ich einen von Adams’ Söhnen in Cambridge getroffen habe. Er war mit seiner Mutter zu Besuch gekommen, und ich hatte das eindeutige Gefühl, daß er sich nichts aus seinem Vater machte. Zu dem Zeitpunkt war meine Affäre mit Adams schon so gut wie zu Ende, wissen Sie. Mein Mann und ich hatten sie zu einem Ausflug eingeladen, und wir waren den ganzen Tag unterwegs. Ein langer Tag kann sehr aufschlußreich sein.«
»Nannten Sie ihn Adams?«
»Nein. So heißt er erst jetzt für mich, wo ich mit Ihnen über den Toten spreche. Ich nannte ihn Canfield.«
»Erzählen Sie weiter über den langen Tag.«
»An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern; ich weiß nicht einmal genau, wohin wir fuhren. Aber wie gesagt, der Tag war sehr aufschlußreich. Der ganze Ausflug war meinem Mann und mir natürlich Anlaß, unsere Beziehung zu flicken, gleichzeitig wurde mir klar, daß die Ehe der Adams’ so gut wie tot war. Seine Frau – ich fürchte, ihren Namen habe ich vergessen und den des Sohnes auch –
also, seine Frau war sehr nett. Ich meine, sie strengte sich nicht an, es zu sein, sie war einfach nett. Sie war tolerant und strahlte eine Entschlossenheit aus, die unerschütterlich schien. Der Sohn war unverkennbar wütend auf seinen Vater und mit eigenen Problemen beschäftigt. Das habe ich mit dem Wort ›aufschlußreich‹ gemeint, mehr nicht. Aber wissen Sie, ich an Ihrer Stelle würde mit dem Sohn sprechen.«
»Das habe ich vor«, sagte Kate. »Natürlich bin ich mir nicht sicher, ob ich denselben treffe, aber das wird sich zeigen. Warum habe ich nur das fatale Gefühl, Adams immer besser kennenzulernen und keinen Schritt weiterzukommen?«
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»Eigentlich sollte man meinen, Sie hätten inzwischen Geduld gelernt«, sagte PC. »Was Sie vollziehen, ist schließlich nichts anderes als der ›lange Marsch durch die Institutionen‹ wie manche jungen Menschen in Deutschland das nennen. Eine langsamere Revolution, aber meiner Meinung nach mit
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