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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Gebäude hinein- und wieder herauskommen konnte. Sie hatte sogar – in einem Experiment, von dem sie nur Reed erzählte – ein Fenster im Erdgeschoß der Levy Hall von außen aufgedrückt. Es lag sechs Fuß über dem Boden und war leicht zu erreichen, wenn man sich auf einen Mauervorsprung stellte. Sie war in den Raum im Erdgeschoß geklettert. Da er ver-71

    schlossen war und sie ihn ohne Schlüssel nicht öffnen konnte, war sie wieder zum Fenster hinausgeklettert. Niemand hatte sie bemerkt (draußen war es schon dunkel), außer zwei jungen Männern, die ihr nur gutgelaunt zuwinkten und fragten, ob sie Hilfe brauche. Die Frage, ob jemand an besagtem Samstagabend, sei es zusammen mit Adams oder so, wie Kate es versucht hatte, in die Levy Hall gelangt war, war so zwar nicht beantwortet, aber daß es möglich gewesen wäre, hatte sie bewiesen.
    Bei ihrer letzten Begegnung mit Butler sprachen sie über A. E.
    Housman, den Butler von Anfang bis Ende auswendig konnte. Kate hatte die gemischte Freude und Mühsal, ihm zu erzählen, daß Housman homosexuell war. »Unmöglich«, hatte Butler gesagt. »Er war doch Lateinprofessor in Cambridge.« Kate verkniff sich nähere Ausführungen zu dem Thema. Sie versuchte lediglich, ihm klarzuma-chen, daß Housmans Homosexualität seinen Gedichten und seiner Größe ja keinen Abbruch tue. »Er muß sehr gelitten haben«, war alles, was Butler dazu zu sagen bereit war. Im Laufe des Gesprächs war es Kate gelungen, direkt unter den Augen des diensthabenden Wachmanns den Schlüssel zur Levy Hall von dem Wandbrett in der Wachzentrale zu stehlen. Sie hängte ihn wenig später genauso unbemerkt wieder zurück. Zugegeben, wegen ihrer neuen Freundschaft zu Butler hatte sie Zutritt zur Zentrale. Normalerweise durften sich Besucher nur bis zu der Luke wagen, hinter der einer der Wachmänner saß. Aber Tatsache war: Wenn Kate hineingelangen und einen Schlüssel stibitzen konnte, war das auch anderen, insbesondere Angehörigen der Universität, möglich.
    In der folgenden Woche empfing Kate Adams’ Sohn, Lawrence Adams, nachmittags in ihrem Büro. Schon bald wurde klar, daß er mit seiner Mutter in Cambridge gewesen war und mit seinem Vater, Penelope Constable und deren Mann jenen Ausflug unternommen hatte. Sein älterer Bruder hatte mitten in seiner Ausbildung als Me-diziner gesteckt und nicht nach England kommen können. »Mein Bruder und ich haben allerdings die gleiche Einstellung zu meinem Vater; deshalb wird für Sie egal sein, wer von uns beiden es war.
    Wir beide hielten den alten Knaben für einen erzkonservativen Spießbürger, und das blieb er für uns bis zu seinem Tod.« Kate bat ihn, das näher zu erläutern.
    »Mein Bruder und ich sind zwei Jahre auseinander. Wir waren Kinder der Sechziger – das heißt, wir waren gerade mit dem College fertig, als die siebziger Jahre begannen. Für uns waren die Demonst-72

    rationen gegen den Vietnamkrieg und all das sehr wichtig. Mein Vater war ein unerbittlicher Gegner der Protestbewegung und ent-puppte sich, wie man heute sagen würde, als Neokonservativer. Er hatte große Ähnlichkeit mit Alan Bloom, war allerdings im Gegensatz zu ihm ständig hinter Frauen her. Beide waren durch die Ge-schehnisse um den Vietnamkrieg stark traumatisiert. Meinem Bruder und mir ging es genauso, allerdings aus entgegengesetzten Gründen.
    Irgendwann war jedes Gespräch mit meinem Vater unmöglich. Er haßte nicht die Chicagoer Polizei, die die Demonstranten bei dem Parteitag der Demokraten zusammengeschlagen hatte, sondern die Demonstranten. Er stand eindeutig auf der Seite von Bürgermeister Daley. Mehrere Jahre weigerte sich mein Vater, meinem Bruder und mir auch nur Guten Tag zu sagen. Irgendwann nach der Scheidung versuchten wir, mit ihm wieder Frieden zu schließen, aber er machte es nicht leicht.«
    »Ich habe seine Witwe kennengelernt«, sagte Kate.
    »Nun, dann können Sie sich ja vorstellen, wo das Problem lag.
    Sie war eindeutig hinter seinem Geld her und umgarnte ihn so plump, daß man hätte meinen sollen, niemand fiele darauf herein.
    Aber offenbar liegt es in der Natur alter Männer, sich zum Narren zu machen.« Lawrence klang eher resigniert als bitter.
    »Vielleicht sind die konservativen alten Männer besonders leicht zu täuschen«, sagte Kate. »Sie müssen sich einfach einreden, sie hätten die Weisheit für sich gepachtet und alle anderen seien im Unrecht. Noch schlimmer: Sie müssen sich für so unangreifbar halten, daß sie gar kein

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