Der Sturz aus dem Fenster
schwierig war«, antwortete Peter Pettipas, »zu sagen, es sei ganz einfach mit ihm gewesen, wäre jedoch gelogen.« Was im Klartext hieß, Adams 81
mußte mit Samthandschuhen angefaßt werden. Kate war nicht überrascht. »In allen Phasen der Produktion seines Buchs war Adams jedoch bemerkenswert prompt; in dem Punkt konnte ich mich nicht über ihn beschweren.« Kate nickte und behielt ihren Eindruck, Pettipas hätte mit Freuden bis in alle Ewigkeit auf die Endfassung des Manuskripts gewartet, fein für sich.
»Betreuen Sie alle Bücher über den Islam?« fragte Kate. Pettipas erklärte ihr, welche Spezialgebiete in sein Lektorat fielen; dann begannen sie, über den Fundamentalismus zu diskutieren, ein Thema, über das sie ohne taktische Spielereien sprechen konnten. Das Dinner endete recht angenehm. Kate versprach, sich bei Pettipas zu melden, falls sie von interessanten Büchern hörte, die in sein Gebiet fielen. Pettipas versprach, weitere Fragen zu beantworten, falls Kate noch Antworten benötigen sollte. Kate ging nach Hause, sank in einen großen Sessel und dankte der dekadenten westlichen Kultur aus tiefstem Herzen für ihre Polstermöbel.
Einige Wochen später trafen sich Kate und Edna in einem Restaurant – zu einem jener entspannten Dinner unter Freundinnen, bei denen über vieles gesprochen wird und, wenn der Abend zu Ende geht, das Gefühl bleibt, man hätte sich noch viel zu sagen gehabt, wäre mehr Zeit gewesen. Kate wußte inzwischen, daß sie auf Edna zählen konnte, wenn sie Einblick in die verschlungenen Wege der Universitätsbürokratie gewinnen wollte. Dabei ging es ihr weniger um Fakten, was Persönlichkeiten und Entscheidungen anging, sondern darum, wie Entscheidungen getroffen wurden und welche Per-sonen sie beeinflußten. Für Kate, die noch immer das Gefühl nicht los wurde, in eine lächerliche Farce eingespannt worden zu sein, erfüllte Edna außerdem die Funktion, sie davon zu überzeugen, daß der Auftrag ernst war.
»Ich werde mich wohl mit der Situation der schwarzen Studenten befassen müssen«, sagte Kate, »und vielleicht auch mit der der zio-nistischen und palästinensischen. Aber ich kann mich einfach nicht darauf freuen, auf eine Lösung zu stoßen, die ich, ehrlich gesagt, nicht wissen will. Trotzdem muß ich die nüchterne Detektivin spielen und die Wahrheit herausfinden, egal wie.«
»Ja, das mußt du«, stimmte ihr Edna mit mitfühlendem Lächeln zu. »Aber ich für meinen Teil glaube nicht, daß du auf irgend etwas Skandalöses stoßen wirst. Meiner Meinung nach wird sich herausstellen, daß es jemand von der Familie war – höchstpersönlich oder als Auftraggeber. Aber bis das nachgewiesen ist, sind wir alle ver-82
dächtig.«
»Vorsicht! Ich könnte gestehen, ihn zum Fenster rausgeschubst zu haben. Das wäre der beste Weg, die Sache zu beenden.«
»Du würdest vor Gericht ins Kreuzverhör genommen und wider-legt. Außerdem würden Zeugen beschwören, daß du zur fraglichen Zeit mit ihnen zusammen warst. Nein, die Wahrheit wird ans Licht kommen.«
»Wer weiß? Ich kann dir nicht sagen, warum, Edna, aber die ganze Geschichte kommt mir langsam faul vor. Ich meine nicht nur die Ermittlung, sondern die ganze Universität, den langen Arm der Bürokratie. Ich operiere innerhalb einer Institution, in der ich mich doch eigentlich auskennen müßte; schließlich gehöre ich lange genug dazu. Aber ich habe immer mehr das Gefühl, in einem fremden Stück mitzuspielen, wie es Virginia Woolf so schön ausdrückte. Die Frage, liebe Edna, ist: Muß ich endlich erkennen, wie das moderne Leben funktioniert? Muß ich einsehen, daß es Zeit für ein neues Drehbuch wird, ebenfalls Virginia Woolfs Worte, oder sind wir alle an dieser Universität, an jeder Universität, nur Marionetten und Werkzeuge? Oh, ich weiß, wir Professoren scheinen Autonomie zu haben, aber das gilt nur für den winzigen Bereich, den man uns zu-gesteht. Die Universitätspräsidenten tun heutzutage nichts anderes, als Geld aufzutreiben. Was ist ihre Gegenleistung dafür, außer daß der Name des Stifters auf irgendeinem Gebäude erscheint? Und was ist die Gegenleistung all der Natur- und Sozialwissenschaftler für die großen Finanzspenden von der Regierung oder sonstwoher, die ihre Forderungen ermöglichen? Und wenn die wichtige Entscheidung ansteht, wie die Geldmittel in der Universität verteilt werden, wer trifft sie und aus welchen Gründen? Bemüh dich nicht um eine Antwort. Ich grüble bloß ohne Sinn
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