Der Sturz aus dem Fenster
so radikal wir uns auch oft gebärdet haben, im Grunde ähneln wir einer dieser schrecklichen ›alles-in-Butter‹-Familien aus den alten Filmen.«
Kate schwieg. Sie wußte nicht recht, was sie noch fragen und sagen sollte. Die Aussagen der Adams-Söhne bei der Polizei kannte sie bereits. Vielleicht war später ein Besuch bei allen vier notwendig, aber sie waren nicht mehr in bequemer Nähe in New Jersey, und Kate hoffte, eine weite Reise blieb ihr erspart. Eine letzte Frage war allerdings noch offen.
»Ich nehme an, Sie und Ihr Bruder haben Ihr Erbe bekommen?«
»Ja, zumindest gehe ich davon aus, daß das bald passieren wird.
Unser Erbe besteht in hochkarätigen Aktien und wird uns sehr willkommen sein. Mein Vater hatte die Papiere in einem Banksafe depo-niert, der bei der Erbschaftsregelung geöffnet wurde. Selbst wenn man nur von egoistischen Gedanken geleitet ist, kann man Reagan, finde ich, nur für eines Beifall spenden: Er hat das Steuersystem so verändert, daß das Erbe steuerfrei bleibt. Und natürlich wird auch der Batzen, der an Cecelia geht, nicht besteuert.«
»Wer ist der Testamentsvollstrecker?«
»Andy. Cecelia wollte, daß mein Vater das änderte und sie zur Vollstreckerin machte, und es sieht so aus, als stand er kurz davor, es zu tun.«
»Harter Brocken für Cecelia, wie Evelyn Waugh sagen würde«, bemerkte Kate.
»Nicht wirklich. Das Ganze ist eher eine Last, als daß es Vorteile bringt.«
»Andy, weil er der ältere war?«
»Ja. Die alten Sitten halten sich hartnäckig, ganz besonders bei Männern wie meinem Vater.«
Und nach einer Reihe allgemeiner, charmanter Bemerkungen und 77
Floskeln verabschiedete sich Lawrence Adams. Kate hing allein ihren Gedanken nach.
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Sieben
wenn du es ertragen kannst,
die Wahrheit, die du gesagt hast,
von Schuften verdreht zu hören,
um eine Falle für Toren daraus zu machen, Matthew Noble, verantwortlich für inneruniversitäre Angelegenheiten (und damit weder für den Lehrkörper noch die Studenten zuständig, sondern nur für finanzielle und administrative Strukturen), hatte Kate – neben anderen Versprechungen, falls sie die Untersuchung von Adams’ Tod übernähme – die Zusage gegeben, ihr den Kontakt zur Harvard University Press zu vermitteln, wo Adams’
Buch veröffentlicht werden sollte. Er hielt Wort, und Kate sprach mit einem Harvard-Lektor, der nicht nur überaus freundlich am Telefon war, sondern auch bereit, sich bei seinem nächsten Besuch in New York mit ihr zu treffen. Zufällig geschah dies unmittelbar nach dem Besuch von Lawrence, dem Adams-Sohn, und Kate hastete sozusagen von einem Termin zum anderen. Ob sie das in irgendeiner Weise weiterbrachte, war unklar, aber es verschaffte ihr jenes Gefühl von Effizienz, das Geschäftigkeit und ein voller Terminkalender vermitteln, zumal alle diese Unternehmungen noch zu ihrem normalen, ohnehin nicht gerade gemächlichen Berufsalltag hinzukamen. Kate hatte sich mit dem Lektor zum Abendessen verabredet und ging von ihrem Büro aus zu dem Restaurant. Zwar hätte sie nicht sagen können, warum, hatte aber den starken Verdacht, das Buch könnte wo-möglich der Angelpunkt des ganzen Falles sein. Vielleicht nur deshalb, weil das Buch, ein konkreter Gegenstand, viel greifbarer war als die verkorksten menschlichen Beziehungen, die Adams’ Lebens-weg zum Großteil kennzeichneten. Wie sich herausstellte, war Peter Pettipas ein junger aufstrebender Mann (Kates Erfahrung nach waren alle Lektoren auf dem Weg nach oben oder völlige Nieten – in welche Kategorie sie fielen, war auf den ersten Blick klar, wodurch, blieb allerdings unklar) und in der Lage, Kate als jemand zu erkennen, den es sich aus den verschiedensten Gründen zu hofieren lohnte, die nicht ohne Zusammenhang mit dem Zugang zu veröffentli-chenswerten und verkäuflichen Büchern waren. Mit einem Wort, sie hatte Einfluß. Folglich, freute sich Kate, ehe sie ihren Martini bestellte, würde er ihr wahrscheinlich erzählen, was sie wissen wollte.
Sie saßen in einem eleganten japanischen Restaurant in der City mit 79
einem Obergeschoß, wo man die Schuhe auszog und sich auf den Boden setzte; für die Füße gab es, gottlob, eine Vertiefung im Fuß-
boden – ein Zugeständnis an die Frauen, die in New York auch in diesem Teil des Restaurants bedient wurden, der in Japan den Männern vorbehalten war. Kate, die von rohem Fisch nicht mehr hielt als von der Unterwürfigkeit der als Geishas verkleideten Japanerinnen, die vor den
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