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Der Sturz aus dem Fenster

Der Sturz aus dem Fenster

Titel: Der Sturz aus dem Fenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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und Ziel vor mich hin.«
    »Hast du je Lewis Thomas gelesen?« fragte Edna. »Er sagt, zahllose Komitees versuchten dahinterzukommen, wer in akademischen Institutionen die Entscheidungen trifft. Darauf ist mehr Zeit verwen-det worden als auf die Suche nach einem Heilmittel gegen Krebs. Er fragt: ›Wer hat wirklich das Sagen und die Macht? Die angemessene Antwort heißt natürlich: niemand.‹«
    »Die angemessene Antwort oder die richtige? Vielleicht gehen Komitees der Wahrheit aus dem Weg.«
    »Und die wäre?«
    »Das weiß ich nicht. Das Sagen haben die mit der größten Macht und Kontrolle über das meiste. Oder die mit der größten Angst vor 83

    der Zukunft.«
    »Das«, sagte Edna, »ist entweder tiefschürfend oder albern.«
    »Wie ich, die es gesagt hat«, bemerkte Kate. »Ich bin einmal dies und einmal jenes. Hab ein wenig Geduld mit mir, Edna, und beantworte mir folgendes: Nimm an, eine bestimmte Strategie – sei es eine akademische, finanzielle oder sonst eine – wird beschlossen.
    Wer hat ein Auge darauf, daß sie ausgeführt wird?«
    »Alle. Die, die sie befürworten, aus Interesse daran, daß sie durchgesetzt wird. Die, die dagegen waren, weil sie die katastrophalen Folgen des Beschlusses aufzeigen wollen. Ist in Akademia eine Entscheidung erst einmal getroffen, geschieht danach sehr wenig im Dunkeln.«
    »Wahrscheinlich hast du recht. Man hat mich für diese Ermitt-lungssache ausgesucht, weil ich das Territorium kenne. Von mir erwartet man weniger Fehler und weniger falsche Schlüsse als von jemand, der von außen kommt. Aber kenne ich das Territorium wirklich? Das ist die Frage. Im Grunde weiß ich nur von Vorgängen innerhalb meines Fachbereichs oder bestenfalls innerhalb des Lehrkörpers.«
    »Der Lehrkörper, zumindest einige seiner Mitglieder, weiß alles, so viel kann ich dir versichern. Ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Bereitschaft zum Protest entgeht sehr wenig. Was hat dieses schreckliche Mißtrauen geschürt?«
    »Viele Tage fruchtloser Ermittlungen. Ich habe mit Adams’ Kollegen gesprochen. Ich habe mit den meisten seiner Studenten gesprochen, viele hatte er nicht. Ich habe seine Personalakte eingesehen und weiß besser Bescheid über seine Arztbesuche und seine Ur-laubstage als über Reeds. Ich hatte würdige Stelldicheins mit verschiedenen Mitgliedern der Verwaltung, eingeschlossen den Präsidenten, der sich fünfzehn Minuten Zeit für mich nahm, zwischen dem Einsammeln der fünfhundertsten und fünfhundertdritten Million. Ich habe mit dem für akademische Angelegenheiten zuständigen Vizepräsidenten gesprochen und dem für die inneruniversitären Angelegenheiten zuständigen, unserem Matthew Noble höchstpersönlich. Der Rektor hat mich gebeten, nicht aufzugeben. Und weißt du, was ich herausbekommen habe? Nichts. Schau auf meine Lippen, wie sie bei den Taubstummensendungen im Fernsehen sagen: nichts.
    Nicht nur nichts über Adams – rein gar nichts. Nichts. Punktum.
    Findest du das nicht eigenartig?«
    »Nicht unbedingt. Meiner Meinung nach heißt das nur, daß du 84

    mehr wußtest, als du wußtest, daß du wußtest.«
    »Herrlich sokratisch, meine liebe Edna, aber zweifelhaft.«
    »Dein Problem ist, daß du glaubst, es gäbe etwas aufzudecken.
    Natürlich gibt es Geheimnisse und Dinge unter Verschluß, und die meisten hast du im Lauf deiner Untersuchung erfahren. Sie kommen dir nur einfach nicht besonders bedeutend vor. Nun, vielleicht sind sie es nicht, aber sie sind genauso bedeutend wie alles, was hier geschieht. Beispiel: Du hast mir gerade erzählt, Adams habe sich dafür eingesetzt, daß ein junger Mann einen Lehrstuhl bekam, den sonst niemand an seinem Fachbereich für besonders befähigt hielt.
    Das war für dich wahrscheinlich nicht die aufregendste Sache seit der Erfindung des Flaschenbiers, aber nicht viele Leute außerhalb von Adams’ Fachbereich wissen davon oder hatten eine Ahnung, welchen Ärger und Wirbel er deswegen gemacht hat. Ob das irgend etwas damit zu tun hat, daß er aus dem Fenster gestoßen wurde, weiß ich nicht; aber ich glaube, du leidest an dem, was eine Feministin einmal das Zwiebelsyndrom genannt hat: Du hoffst auf ein Zentrum, das es nicht gibt. Bei einer Artischocke entfernst du die Blätter und gelangst zum Herzen. Eine Zwiebel schneidest du in der Mitte durch und stößt auf nichts als konzentrische Kreise und einen ziemlich stechenden Geruch.«
    »Du tust mir gut, Edna. Was hast du nur an dir, daß es mir immer besser geht, wenn ich mit dir

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