Der Sturz aus dem Fenster
Gästen knieten, während sie servierten, entschied sich für ein Tempura, das ihr zwar nicht verlockend, aber auch nicht absto-
ßend schien. Pettipas bestellte Sashimi oder sonst eine teure Version rohen Fischs. Den Auftakt bildete eine Suppe, die Pettipas köstlich fand, für Kate jedoch wie Abwaschwasser schmeckte, das sie natürlich nie probiert hatte. Für die Aufklärung eines Falles war Kate bereit, das falsche Essen in der falschen Körperstellung inmitten sexistischer Haltungen zu sich zu nehmen, aber viel größer durfte das Opfer nicht werden. Immerhin, die Fähigkeit, einen guten Martini zu mixen, konnte man den Japanern, zumindest in diesem Etablis-sement, nicht absprechen. Dankbar akzeptierte Kate einen zweiten.
Peter Pettipas bestellte ein zweites Glas Mineralwasser. Kate, die ihr eigenes Leben gern in Vorhers und Nachhers einteilte, erkannte den Verzicht auf Alkohol als entscheidenden Wendepunkt im Leben von Verlagsleuten. Pettipas sprach über Adams’ Buch.
Es sei eine gediegene, vielleicht ein wenig altmodische Untersuchung über den Beitrag des Islam zum abendländischen Mittelalter.
Wie Kate wahrscheinlich wisse, habe sich heute der Konflikt zwischen der konventionellen, an den großen politischen Ereignissen orientierten Geschichtsschreibung und jener, die sich stärker um soziale Interpretationen bemühe, verschärft. Ja, Kate hatte davon gehört. Adams falle eindeutig in die erstere Kategorie von Histori-kern. Sein Buch enthalte zwar nichts, das man als neu oder spektakulär bezeichnen könne, sei aber eine gediegene Abhandlung und exzellente Einführung in das Thema.
»Mit anderen Worten«, Kate ließ ihre Suppe stehen, nahm Pettipas’ Vorschlag, zu Wein überzugehen, dankbar an und sagte:
»Langweilig, wird sich wahrscheinlich schlecht verkaufen und Autor und Verleger weder große Anerkennung noch Profite einbringen.
Warum hat Harvard sich zur Veröffentlichung entschlossen?«
Er habe sich wohl nicht klar genug ausgedrückt, fürchtete Peter Pettipas. Kein angesehener Verlag, und schon gar nicht die Harvard University Press, würde ein Buch veröffentlichen, das keinen bedeu-tenden Beitrag zum jeweiligen Fachgebiet leiste. Manche Bücher 80
seien vielleicht weniger spektakulär als andere, aber deshalb nicht weniger wichtig. Kate sei doch sicher auch dieser Meinung?
Doch, das war Kate, und es tat ihr leid, Mr. Pettipas’ Worte so platt übersetzt zu haben. Die eingeholten Expertengutachten waren bestimmt voll des Lobes?
Ja, in der Tat, voll des Lobes. In beiden Gutachten sei zwar ange-klungen (Mr. Pettipas wurde nun sehr vertraulich, eine Haltung, die ihm durch die zutreffende Annahme erleichtert wurde, daß Kate sich ohnehin leicht Zugang zu den Begutachtungen verschaffen konnte), eine Spur mehr Theorie, eine klarer ersichtliche Methodik hätten dem Manuskript gutgetan, eine Veröffentlichung sei aber trotzdem zu empfehlen.
»Gab es irgendwelche Subventionen?« fragte Kate, während sie sich zögernd an ihr Tempura machte, das sie mit einem erstaunlich guten Weißwein hinunterspülte.
Nun ja, das Buch sei subventioniert worden. Kate wisse ja sicher, daß Universitäten über Fonds verfügten, oft aus Stiftungen oder anderen Quellen, um damit veröffentlichenswerte, aber nur für einen kleinen Kreis interessante Bücher zu subventionieren.
»Ich weiß«, sagte Kate. »Die Mellow-Stiftung zum Beispiel hat solche Fonds bereitgestellt. Aber bislang hatte ich angenommen, daß diese Gelder die Publikationen jüngerer, noch nicht habilitierter Wissenschaftler ermöglichen sollen. Ich wußte nicht, daß sie für das Werk etablierter Forscher ausgegeben werden. Oder hat Adams eine Subvention aus eigener Tasche geboten?«
»Nein, nein«, sagte Mr. Pettipas und genoß seinen rohen Fisch.
Die Gelder seien von der Universität, oder genauer, von Adams’
Fachbereich gekommen. So etwas sei keineswegs ungewöhnlich.
Harvard sei stolz, das Buch zu veröffentlichen, aber jedermann wisse, daß der Verkauf die Herstellungskosten nicht decken werde. Dies sei keine Frage von Veröffentlichung aus Eitelkeit – das verstehe Kate doch bestimmt.
Kate verstand. Sie lenkte das Gespräch auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit Adams gewesen sei. Niemand wußte besser als Kate, wie schwierig Autoren sein konnten. Sie hatte genügend Ma-nuskripte für Verlage gelesen und kannte genug Lektoren, um sich zu dem Thema kompetent zu äußern.
»Ich würde nicht gerade behaupten wollen, daß er
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