Der Sturz - Erzählungen
toleriere, überhaupt, mit dem er befreundet sei, antwortete der Bulle nur, na ja, dann fliege die Angelegenheit eben auf. Schwierigkeiten, nichts als 73
Schwierigkeiten. Dazu die Hitze, und erst dritter Mai, man hätte denken können, es sei Hochsommer, Smithy schwitzte unaufhörlich, schon als Leibnitz mit seinen Forderungen aufgetaucht war, hatte er geschwitzt, alles flimmerte vor Hitze, Brooklyn war kaum zu sehen, Air-Conditioning konnte Smithy sich jetzt nicht mehr leisten, man roch die Leichen, dem Haus-meister war es gleichgültig, und Smithy hatte seine Wohnung woanders, und telefonisch war er auch noch bei Simpson zu erreichen, auch war Leibnitz an alles gewöhnt, aber peinlich war es doch, hin und wieder verirrte sich ein Kunde, geriet in den Sezierraum, statt sich bei Simpson an die Bar zu setzen, und immer konnte Leibnitz die Leichen auch nicht im Kühlraum aufbewahren, er mußte sie auf den Seziertisch schleppen, wenn er sich an die Arbeit machte, überhaupt, überlegte Smithy, sollte man das Ganze als Laboratorium tarnen, als etwas Technisches, Blitzblankes, Weißgekacheltes – was jetzt unter der Triboro Bridge installiert war, hatte einen dubiosen Anstrich. Sicher, schätzenswerte Vorzüge mußten erwähnt werden: die Nähe des West Rivers vor allem. Smithy fluchte; nach Hause zu gehen, zu duschen, das Hemd zu wechseln, fehlte die Zeit. Zur Hitze kam der Gestank. Nicht der Leichen-geruch am Morgen, dieser Geruch gehörte zu seinem Beruf und störte ihn ebensowenig wie der Geruch von Leder einen Ger-ber, nein, der Geruch der Stadt machte ihn rasend, dieser Geruch, den er haßte, der allen Dingen anhaftete, glühend und klebrig, verpappt mit unendlichen Staubund Kohlemolekülen, Ölpartikelchen, eins mit dem Asphalt, mit den Häuserfronten, den dampfenden Straßen. Er soff. Schon während der Unterredung mit Leibnitz hatte er getrunken. Gin. Mit dem neuen Bullen war er in den Drugstore vom Belmont gegangen. Zwei Schlitz. Später trank er mit dem Hafeninspektor irgendwo in der 50. Bourbon. Der Hafeninspektor trank Bier, aß zwei Steaks, Smithy rührte sein Steak nicht an, der Polizeichef, der dann später doch kam, wie der Hafeninspektor versprochen 74
hatte, war ein ekelhafter Intellektueller, überhaupt kein Bullen-typ, irgendein Eierkopf, der sich seinen Posten durch schwule Querverbindungen ergattert hatte, stellte sich Smithy vor, die Fronten wurden immer undurchsichtiger, der Gangster neulich, dem Smithy die Millionärstochter hatte verschwinden lassen, auch ein Schwuler, war früher Priester gewesen. Lief noch so herum. Aber vielleicht war der Polizeichef gar kein Schwuler, die Kellnerin vorhin hatte er geil angesehen, vielleicht war er ein Kommunist. Er war über den Priester im Bilde, hatte ihn ja an Smithy vermittelt, nicht der Hafeninspektor, wie Smithy zuerst geglaubt hatte. Nun mußte Smithy dem Polizeichef noch die Millionärstochter bezahlen, dabei hatte er schon den Hafeninspektor bezahlt, ein verdammtes Verlustgeschäft. Smithy trank den Bourbon aus. Eigentlich hätte er zu Simpson gehen sollen, aber der Polizeichef kam ins Reden. Der Kerl konnte sich das Schwafeln ja leisten, für den spielte Zeit keine Rolle, dazu die Sauhitze trotz Air-Conditioning: Es sei besser, der Sanitätsdienst übernehme das Ganze, natürlich Geheimhaltung, auch Holy (der Priester) meine, es sei zu riskant, die Angelegenheit einer Privatperson wie Smithy zu überlassen, der Priester sei der neue heimliche Boss im Revier. Smithy ging wieder zu Gin über. Das Steak ließ er immer noch unberührt, der Polizeichef quatschte weiter: die alte Art, die Verbrechen zu bekämpfen, sei unwirksam geworden, der Staat müsse heute mit dem Verbrechen leben, seit er sich mit Holy verstehe, gingen auch die Verb rechen zurück, es liege an der Toleranz, Smithy müsse kapieren, daß sein ständiges Lavieren zwischen dem legalen und dem illegalen Lager vorbei sei, weil nun die Legalität die Illegalität wenn auch nicht ausgerottet habe, so doch steuere, sonst würde, wenn Smithy kein Einsehen habe, eben der Sanitätsdienst eingeschaltet, schlimmstenfalls die Hafenpolizei, auch wenn gewisse hygienische Bedenken bestünden. Smithy verlangte Kaffee, nahm drei Stück Zucker, rührte mit dem Löffel. »Wieviel?« »Die Hälfte pro Fall«, sagte 75
der Polizeichef, nahm seine randlose Brille, hauchte sie an, reinigte sie, setzte sie wieder auf, betrachtete Smithy wie ein Forscher eine Laus. Der Hafeninspektor stocherte in den
Weitere Kostenlose Bücher