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Der Sturz - Erzählungen

Der Sturz - Erzählungen

Titel: Der Sturz - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Zähnen wie der Bulle gegenüber der City Bank. Der Polizeichef setzte seine Brille wieder ab, reinigte sie noch einmal, Smithys Anblick widerte ihn an. Zu dem Tarif sei nicht zu arbeiten, sagte Smithy, er müsse Leibnitz das Doppelte zahlen, das Schwein sei wieder ein legitimer Mediziner. Schön, sagte der Polizeichef, nachdem er noch einen Kaffee bestellt hatte, er rede mit dem Sanitätsdienst. Smithy bestellte noch einen Gin.
    »Tut mir leid, Smithy«, sagte der Hafeninspektor. Smithy gab nach, in der Hoffnung, sich irgendwo hinter dem Rücken der Polizei mit Holy zu arrangieren, es gab immer wieder Abmachungen, von denen der Polizeichef nichts wissen durfte, so wie es Abmachungen gab, die Holy nichts angingen – und bestellte noch ein Schlitz. Aber als er gegen Mitternacht in Tommey’s französischem Restaurant, von dem niemand wußte, warum es ein französisches Restaurant sein sollte, nun doch ein Steak aß und Pommes frites, setzte sich statt Holy van der Seelen zu ihm, der sich als Russe oder Pole ausgab, je nach Bedarf, aber wahrscheinlich ein Italiener oder Grieche war und ganz anders hieß; einige behaupteten auch, er sei wirklich ein Holländer, aber heiße nicht van der Seelen, sondern wie Käse auf dänisch; auf alle Fälle war er vor zwei Jahren als halbkre-pierter Emigrant aus dem verfluchten Europa herüberge-schwommen, das all diese Ratten erzeugte – der Präsident sollte einmal einschreiten –, jetzt steckte er in einem verdammt teuren Anzug, Seide, unerträglich parfümiert, eine Havanna rauchend, Monte Christo. Holy sei leider verhindert, sagte van der Seelen. »Geschäftlich?« fragte Smithy, den es nichts anging, verärgert, weil er sich mit Holy absprechen mußte.
    »Eigentlich schon«, antwortete van der Seelen, bestellte sich einen Hummersalat und sagte, Holy liege wahrscheinlich schon in Smithys Kühlraum oder vielleicht gar auf Leibnitz’ Sezier-76

    tisch. »Schade um den Schwulen«, bedauerte Smithy, betrachtete van der Seelen nachdenklich und nahm sich vor, einmal nachzufragen, was Käse auf dänisch heiße, ein Straßenbulle unter der Triboro Bridge war Schwede, und dann dachte er, ob der Polizeichef wohl schon wisse, daß nun ein anderer als Holy der Boss war. Van der Seelen grinste ihm väterlich zu: »Einer war zuviel im Revier. Wir werden schon miteinander auskom-men, Smithy.« Er müsse leider den Tarif erhöhen, sagte Smithy, Leibnitz sei teurer geworden. Van der Seelen schüttelte den Kopf. »Ich habe geheiratet, Smithy, letzte Woche«, meinte er. »Na und?« fragte Smithy. Seine Frau habe einen Bruder, Medizinstudent, bloß fixe der leider, verdammt teurer Spaß. Smithy begriff: »Machen wir’s zum alten Tarif«, schlug er vor. »Zehn Prozent weniger«, antwortete van der Seelen,
    »schließlich muß ich meinen Schwager unterstützen.« Smithys Geschäft stand schlechter denn je, dazu immer noch diese Mordshitze, es war, als tauche er in eine heiße Brühe, als er aus Tommey’s französischem Restaurant trat. Eigentlich wollte er nach Hause, in seine drei möblierten Zimmer mit Küche und Bad, scheußlich eingerichtet, deutsch, mit unleserlichen Bü-
    chern vollgestopft, eine Wohnung, die er vom Professor übernommen hatte, Leibnitz’ Vorgänger, ein muffiger Stall, nie gelüftet, nie gereinigt, aber ein Luxus, dachte er an den Ver-schlag zurück, worin er jahrelang in der Bronx gehaust hatte.
    Nun, wenn es geschäftlich so weiterging mit den neuen Part-nern, würde er bald in einem Kellerloch landen, der Polizeichef war ein Kommunist, das war Smithy klar, und van der Seelen ein Jude, das war noch klarer, ein vielleicht holländischer Jude, der wie Käse auf dänisch hieß; das beste war, Smithy haute ab, nach Los Angeles oder so, abhauen und dort einen neuen Laden aufmachen, einen wie Smithy hatte man überall nötig, Leichen mußten überall verschwinden. Gegenüber Tommey’s französischem Restaurant war eine kleine Bar. Smithy ging über die Straße, ein Auto stoppte, schlitterte, der Fahrer fluch-77

    te. In der Bar verlangte Smithy noch einen Gin, am besten, man besoff sich. Durch die offene Baitür sah er van der Seelen in seinen Cadillac steigen, zu Sam, seinem Fahrer. Smithy kippte den Gin hinunter und ging dann doch nicht nach Hause. Van der Seelens fettes Gesicht hatte ihn plötzlich traurig gemacht, Holy tat ihm leid. Smithy schneuzte sich, als er dem Taxifahrer eine Straße in der Nähe der Triboro Bridge nannte, Holy hatte noch an eine Gerechtigkeit

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