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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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Merkwürdigkeiten abtastete, fiel ein ganzer Turm davon in sich zusammen und knallte mir auf den Kopf. Zum Glück waren keine schweren Statuen dabei.
    Mitleid bekam ich natürlich keines. »Wie kann man nur so blöd sein und das Kästchen herausziehen, das den Stapel zusammenhält«, knurrte Udiko und brummte mir neue Übungen für den Tastsinn auf.
    Am zweiten Tag ging‘s raus in den See, und ich genoss das Gefühl des Wassers auf der Haut. Bei diesen Übungen hatte ich weniger Probleme, als ich befürchtet hatte. Seit meiner Kindheit tauchte ich in den Seen von Vanamee, ich war es gewöhnt, ihre dunklen Abgründe zu erforschen. Auch die Kunst, nachts einem schwimmenden Menschen zu folgen, indem man seinen Wasserwirbeln nachspürt, hatte ich oft genug mit meinen Freunden geübt.
    Schwieriger wurde es, als Udiko mich alleine losschickte und mir Aufgaben stellte, die ich blind bewältigen musste – zum Beispiel, eine reife Honigblüte von der Landbrücke zu holen, ohne sie dabei zu zertreten. Oder einen Gegenstand zu finden, den er an einer bestimmten Stelle des Sees deponiert hatte. Ich übte, Schwimmzüge zu zählen, um Zeiten und Entfernungen zu schätzen, und mir jede meiner Bewegungen zu merken, um sie auf einer Landkarte in meinem Gedächtnis einzutragen.
    Nach einer Woche verirrte ich mich auch mit verbundenen Augen immer seltener. Ich konnte an dem Gefühl der Sonne auf meiner Haut abschätzen, welche Tageszeit es war. Meine Ohren schienen viel schärfer geworden zu sein und meldeten mir Dinge, die ich zuvor einfach überhört hatte.
    Doch in der Nacht legte ich manchmal die Hände auf meine nutzlosen Augen und wünschte mir, die Sonne sehen zu dürfen, die ruckartigen, scheuen Bewegungen des Mondreihers, das Glitzern des Wassers an einem hellen Tag. Lachende Augen hast du , hatte Lourenca mir einmal gesagt. Wenn du mich anschaust, dann ist das für mich wie der Geschmack von Quellwasser ...
    Das Dumme an verbundenen Augen ist, dass man sich noch nicht mal Tränen wegwischen kann.
    Udiko schien zu spüren, dass es mir schon mal besser gegangen war. »Heute schwimmen wir auf den Markt«, verkündete er am achten Tag.
    Zuerst freute ich mich über die Abwechslung. Nach einer Woche allein mit dem Alten würde es Spaß machen, mal wieder andere Leute zu treffen. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich das schwarze Tuch noch immer nicht ablegen durfte. »O je. Ich werde mir vorkommen wie ein Idiot.«
    »Sei nicht albern, Kleiner. Du bist nicht der erste Lehrling, den ich ins Dorf mitnehme.«
    Wir machten es uns einfach und ließen uns den Xanthu-Fluss hinuntertreiben, bis wir den Südlichen Markt erreichten. Schon von weitem hörte ich das Stimmengewirr, das Geräusch von Paddeln, die durchs Wasser gezogen wurden, das Blubbern von Suppen an den Kochständen. Verlockende Gerüche nach frischen Goldalgen, geräuchertem Aal und scharf gewürzten Fischbällchen durchzogen die Luft. Wir kletterten auf die Plattform und mischten uns unter die Menge. Ständig streiften mich Arme, spürte ich Körper an mir vorbeidrängen. Obwohl ich eigentlich ein geselliger Mensch bin, fand ich das nach der Einsamkeit des Xanthu-Sees anstrengend. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich konnte die Blicke förmlich spüren, die sich auf mich richteten. Es wurde fast unerträglich, nichts sehen zu können, und ich fühlte mich so hilflos wie lange nicht. Blind hätte ich in dieser lärmenden Menge keine Chance, meinen Meister wieder zu finden, sollte ich ihn verlieren.
    »Ganz ruhig«, raunte mir Udiko zu. »Lausch auf die Stimmen. Hörst du, wie die dunklen Töne daraus verschwinden, wenn jemand aufgeregt ist? Achte nicht so sehr auf das, was gesagt wird, sondern auf das, was in der Stimme mitschwingt ...«
    Wir blieben den ganzen Tag auf dem Markt. Ich verbrachte die Zeit mit Zuhören, Udiko damit, sich an den Fressständen durchzuprobieren. Etwas vorsichtiger folgte ich seinem Beispiel. Ich war gerade in einer Phase, in der ich mir nicht mehr sicher war, ob ich überhaupt weiterhin Fleisch – tote Tiere! – essen wollte.
    Unschlüssig ging ich an den Ständen vorbei und versuchte, mit der Nase festzustellen, was es dort gab. Da Udiko natürlich nicht daran dachte, mich am Händchen zu nehmen, passierte das Unvermeidliche: Ich stolperte über eine Kiste, die jemand hatte stehen lassen, und schlug der Länge nach hin.
    »Alles klar?«, fragte eine helle Stimme besorgt. Eine schmale Hand ergriff meinen Ellenbogen und half mir,

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