Der Sucher (German Edition)
»Vielleicht geht Ihr jetzt besser nach Hause«, empfahl ich ihm.
Der Mann stöhnte auf. »Bevor ich das Ding nicht zurück habe, brauche ich mich gar nicht erst daheim blicken lassen ... Es war ein Erbstück ... Zilja hat es geliebt ...«
Nach und nach bekam ich alles aus ihm heraus, was ich wissen musste. Es war auch höchste Zeit, die Sonne neigte sich schon Richtung Horizont. Wenn ich nicht bald zurückkäme, würde Udiko vor Wut das Wasser um seine Kuppel herum zum Kochen bringen.
Ich tauchte in der Mitte des Sees und suchte immer ein paar Menschenlängen auf einmal ab – so oft, bis mir schwindelig wurde und ich verschnaufen musste. Es war schwieriger, als ich gedacht hatte. Der Grund bestand an dieser Stelle aus dickem Schlamm. Vielleicht wäre es das Beste, einfach zurückzuschwimmen und die ganze Sache zu vergessen. Der Kerl wusste nicht mal, wie ich hieß, und ich hatte ihm nichts versprochen.
Aber etwas in mir sträubte sich dagegen, so leicht aufzugeben, und schließlich gab mir ein neugierig im Boden herumschnobernder Wels den entscheidenden Hinweis. Kurz darauf glänzte der Armreif in meiner Hand – er bestand aus gehämmertem Kupfer und war mit kleinen blauen Chrysopalen besetzt.
So schnell ich konnte, kehrte ich zu der Schänke zurück und drückte dem Mann, der inzwischen einen vierten Polliak-Krug vor sich hatte, den Armreif in die Hand. »Hier. An Eurer Stelle würde ich jetzt aber wirklich heimgehen.«
Als er sich von seiner Überraschung erholt hatte, rief er mir etwas über Belohnung und Finderlohn nach, aber ich hatte nur noch eins im Kopf – so schnell wie möglich zum Alten zurückzukehren. Ein halbes Dutzend mögliche Ausreden kreiste mir im Kopf herum. Aber ich kam gar nicht dazu, sie über die Lippen zu bringen.
Als Udiko mich sah, begann er sofort zu toben. »Bitte sag mir, dass du es nicht getan hast! Bitte sag mir, dass du ihm nicht den Armreif zurückgebracht hast!«
Woher wusste er ...? Aber das war ja auch egal. »Doch, das habe ich«, sagte ich trotzig. »Er war ein Stück im Schlamm eingesunken, wahrscheinlich hat er ihn deswegen nicht selbst entdeckt.«
Udiko stöhnte. »Du verdammte Kaulquappe. Da hast du ja was angerichtet.«
Ein eisiges Prickeln lief mir über den Rücken. »Wieso?«
»Wenn du richtig hingeschaut hättest, dann wäre dir auf drei Längen Entfernung aufgefallen, dass der Mann ein Säufer ist. Und wenn du nachgedacht hättest, dann hättest du dich vielleicht gefragt, warum der Mann mit einem Armreif, der offensichtlich nicht ihm, sondern einer Frau gehört, auf der Mitte eines Sees unterwegs gewesen ist.«
So langsam dämmerte mir etwas. »O nein. Ihr meint, er wollte den Armreif seiner Gefährtin gegen Polliak eintauschen?«
»Das hat er vermutlich inzwischen.« Als Udiko meine betretene Miene sah, wurde sein Ausdruck wieder etwas milder. »So, und jetzt ruhst du dich gefälligst aus. Du bist ja völlig fertig.«
Ich warf mich auf meine aus Schilf gewobene Schlafmatte und fühlte mich elend. Düstere Gedanken zogen durch meinen Kopf. Am liebsten wäre ich in die Schänke gegangen und hätte dem Kerl den Armreif wieder abgenommen. Aber dann blieb ich doch einfach liegen.
Der Raum, in dem meine Schlafmatte lag und den Udiko zu meinem Zimmer erklärt hatte, war vorher ein Lager gewesen und noch immer genau wie der Rest der Kuppel voll gestopft mit den unwahrscheinlichsten Dingen, die Udiko im Laufe seines Lebens geschenkt bekommen hatte. Wenn ich nicht einschlafen konnte, beschäftigte ich mich damit, sie mir anzuschauen und mir vorzustellen, wozu sie gut sein mochten.
Aber selbst dazu hatte ich jetzt keine Lust. Ich starrte einfach hoch an die gewölbte Decke der Kuppel, durch die man das grüne Wasser des Sees und die vorbeiziehenden Fischschwärme sehen konnte. Von außen war das Material der Kuppel spiegelnd, deshalb beachteten die Fische mich nicht.
Nach und nach merkte ich, dass sehr leckere Düfte Udikos Wohnkuppel zu durchziehen begannen. Irgendwann machte ich mich auf den Weg zur Küche, die wie die anderen Räume nur durch eine dünne Stoffwand vom großen Wohnraum abgeteilt war. Fasziniert blieb ich im Eingang stehen und beobachtete Udiko. Er glitt hin und her wie ein Magier auf der Bühne, kostete hier, rührte da um, sprach eine Formel, um den Inhalt eines Topfs noch etwas mehr zu erhitzen, rieb ein paar Gewürze. »Ich hoffe, du magst ein Mousse aus Viskarienblättern, Kleiner.«
Ich wusste noch nicht mal, was das war.
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