Der Sucher (German Edition)
verbeulte silberne Schale fühlte sich sehr kalt an zwischen meinen Fingern. »Du wirst nie wieder freikommen, Targon«, flüsterte ich, »und Recht geschieht es dir.«
Dann ließ ich los, und die Schale trudelte aufblinkend in das dunkle Wasser. Zwei Atemzüge später war sie verschwunden. Es war, als hätte sich eine schwere Last von mir gehoben – die Verantwortung, diesen Gott in meiner Obhut zu haben. Als ich ihn los war, atmete ich freier. Vielleicht konnte ich nun wieder anfangen zu leben. Die Fäden meines alten Lebens aufheben und sie wieder verknüpfen.
Aber leicht war das nicht. Nach der langen Zeit im Kerker fühlte ich mich krank und schwach. Die Tiefen, die ich erreichte, waren lächerlich im Vergleich zu dem, was ich früher geschafft hatte. Ich verbrachte die Tage und Nächte unter freiem Himmel und konnte trotzdem nicht schlafen, schreckte fünfmal in der Nacht aus Albträumen hoch.
Ein großer Trost waren mir meine neuen Freunde. Es dauerte ein paar Tage, bis ich mich daran gewöhnt hatte, dass buchstäblich jedes Tier auf meinem Weg mich begrüßte. Aber ich lernte schnell zu schätzen, dass sie für mich die Augen offen hielten. Und dass mich von nun an neben dem Salamander immer mindestens eine Libelle begleitete. Ich habe diese wunderschönen Wesen immer gemocht, und schnell wurden sie zu meinen neuen Wappentieren. Ich war ein anderer Mensch geworden, wieso sollte ich mir da nicht ein neues Zeichen geben?
Auch mein Ska blieb bei mir, als mein Freund und Späher. Inzwischen wusste ich, wie er hieß, wie seine Sippe ihn damals genannt hatte. Und ich hatte Recht gehabt, ich konnte es wirklich nicht aussprechen.
Ich brach auf nach Xanthu, zu Udiko. Bevor ich ihm nicht erzählt hatte, was geschehen war, würde ich sowieso keine Ruhe finden. Es tat gut, mal wieder das warme Wasser des Vulkansees zu spüren und auf die vertraute, altmodische Luftkuppel an seinem Grund zuzuschwimmen. Mein alter Meister war nicht überrascht, mich zu sehen – wahrscheinlich hatte er längst gehört, dass ich in der Gegend war. Wir umarmten uns fest. »Schön, dass du zurück bist«, sagte er. »Verdammt, ich habe mir in der letzten Zeit mehr Sorgen gemacht als in den ganzen zehn Wintern davor!«
»Das tut mir Leid ...«
»Meine Güte, Tjeri, das war jetzt nicht als Vorwurf gemeint«, knurrte der Große Udiko. »Setz dich. Möchtest du einen Cayoral? Verdammt, bist du blass. Und dünn! Hast du schon was gegessen?«
Ich schüttelte den Kopf und musste lächeln. Dass ich noch mal erleben durfte, wie sich der beste Sucher Dareshs in eine Glucke verwandelte! Es tat gut, wie sehr er sich über meine Rückkehr freute.
Als ich meine Schwimmhaut aus- und meine Trockensachen übergezogen hatte, setzten wir uns wie früher im Schneidersitz auf den Buntalgenteppich, tranken Cayoral und redeten. Und doch war etwas daran ungewohnt. Es dauerte eine Weile, bevor ich darauf kam. Wir gingen anders miteinander um. Früher waren wir Meister und Schüler gewesen. Jetzt war ich ein erwachsener Mann, ein ausgebildeter Sucher. Wir konnten auf gleicher Ebene miteinander reden, hatten beide Respekt vor einander. Er war nicht mehr mein Meister, wir waren Freunde geworden. Niemand anderem vertraute ich so wie ihm.
Die Mampa mit Küstenkresse, die er für uns kochte, war wie üblich köstlich, und nachdem wir gegessen hatten, erzählte ich ihm alles. Ohne etwas auszulassen. Wie ich die Schale entdeckt hatte. Wie ich herausgefunden hatte, worin ihr Geheimnis bestand. Wie Joelle und Cyprio gestorben waren. Wie ich und Merwyn es nur mit knapper Not geschafft hatten, Targon wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Udikos Gesicht war inzwischen genauso blass wie das meine. »Wir haben alle enormes Glück gehabt«, sagte er.
»Ich weiß. Es war knapp. Sehr knapp.«
»Du hast dem Rat nichts von all dem gesagt, oder?«
»Nein.« Ich erzählte ihm von meinem Verdacht, was Ujuna anging, und er nickte.
»Da könnte was dran sein. Was hast du mit der Schale gemacht?«
»Versenkt an der tiefsten Stelle des Julianus-Sees.«
»Gut.« Er seufzte. »Der Rat wollte mir vor langer Zeit den Auftrag geben, sie zu suchen, aber ich habe Verdacht geschöpft und abgelehnt. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen. Es ist gut, dass wir jetzt wissen, wo das Ding ist und dass es nicht mehr missbraucht werden kann.«
Ich war nicht besonders überrascht. Natürlich hatten sie auch ihn gefragt. Udiko hätte es schaffen können, die Schale zu finden, ging es mir
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