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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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meine Tunika durchweichen und meinen Körper herabrinnen. Genoss mein Willkommensgeschenk von Erin, dem Erneuerer.
    »Tjeri!«, rief jemand, und dann rannten sie mir entgegen. Ynea und Merwyn, die verborgen im Wald neben dem Tor auf mich gewartet hatten. Wir lachten und weinten und umarmten uns alle drei.
    Der Regen hörte bald auf. Wir lagerten auf einer kleinen Lichtung im Weißen Wald, verborgen inmitten mannshoch sprießender Riesenfarne. Das Licht schien durch ihre grünen Wedel, zeichnete Muster auf den mit Moos bedeckten Boden. Inzwischen herrschte Hochsommer, ich hatte die Schneemonate verpasst. Neunzehn Winter alt war ich inzwischen.
    »Danke, dass ihr eure Sachen für mich geopfert habt«, meinte ich, hielt den Becher zwischen beiden Händen und nahm andächtig meinen ersten Schluck Cayoral seit zehn Monaten. Ich genoss den Wind auf meiner Haut und saugte das Grün der Bäume und Farne, das Rauschen der Blätter um mich herum förmlich auf.
    »Ach, halb so wild«, sagte Merwyn und grinste. »Du hast‘s ja in Tassos gesehen – gegen die Feuer-Leute hat mir das Ding gar nichts genützt.«
    Doch Ynea blieb ernst. »Es war schrecklich, dass Hettas Leute dich so lange nicht rauslassen wollten. Wir haben den Rat genervt, und der Rat hat die Regentin genervt, aber ohne diesen Janor hätte es nicht geklappt.«
    »Habt ihr dem Rat von der Schale erzählt?«
    »Nein«, sagte Merwyn ruhig. »Wir haben niemandem davon erzählt. Schon auf dem Pass, bei der Flucht, wurde mir klar, dass du Recht hattest. Wir durften sie nicht mal dem Rat geben.«
    Er hatte mein Vertrauen nicht enttäuscht. Das bedeutete mir sehr viel in diesem Moment. »Wo ist sie jetzt?«
    »Ich habe sie gar nicht erst mitgenommen, sondern oben auf dem Pass versteckt, als ich kurz unbeobachtet war. Dort ist sie immer noch. Du hast sie damals gefunden. Deshalb ist es an dir, zu entscheiden, was jetzt damit passieren soll.«
    Das war eine schreckliche Verantwortung. Aber ich hatte schon eine Idee. Eine, die ich nicht mit ihnen besprechen durfte. Also redeten wir von anderen Dingen. »Ich kann immer noch kaum glauben, dass ihr hier seid. Wolltest du nicht zurück nach Vanamee zu deiner Familie, Ynea? Und bist du nicht längst als Agent in allen Ecken von Daresh gewesen, Merwyn? Und habt ihr gehört, was aus Mi‘raela geworden ist?«
    »Mi‘raela ist wieder bei ihrer Familie – ich glaube, sie ist glücklich«, berichtete Ynea. »Und ich war zurück in Vanamee. Die Seen sind herrlich. Aber meine Familie ... sie ist erloschen. Erst mussten sie mich aufgeben ... und nun ... dass Joelle tot ist, hat sie schwer getroffen. Sie haben sich zwar gefreut, mich wiederzusehen, aber ich habe mich nur wie ein kümmerlicher Ersatz gefühlt, verstehst du das? Und das wollte ich nicht noch mal sein.«
    Ich spürte, wie Wut in mir hochbrodelte. »Werden sie versuchen, Joelle zu vergessen?«
    »Vielleicht«, antwortete Ynea leise. »Danach habe ich lieber nicht gefragt.«
    »Wir werden die Erinnerung an sie bewahren«, versprach ich, und Merwyn nickte. »Solange einer von uns lebt, ist sie nicht vergessen.«
    Dann war Merwyn an der Reihe, zu erzählen. Da inzwischen aufgeflogen war, dass unser »Lehrmeister« Jallak ein Säufer war – er hatte sich in einer Schänke grob daneben benommen –, hatte der Rat uns nachträglich verziehen, dass wir Jallak hatten sitzen lassen. Merwyn hatte neue Partner und Einsatzorte zugeteilt bekommen. »Diesmal habe ich den Rat um Erlaubnis gefragt, ob ich den Abstecher hierher machen darf.« Er sah verlegen aus, und ich ahnte, was los war. »Du kannst nicht lange bleiben, was?«
    »Nur diesen einen Tag. Dann muss ich wieder auf meinen Posten.«
    »Ich weiß noch nicht, ob ich in Vanamee bleibe«, meinte Ynea. »Es gefällt mir gut dort, aber irgendwie zieht es mich auch nach Nerada. Komisch, was? Mal schauen.«
    Ynea war müde von der langen Reise und rollte sich schon bald in ihre Decken.
    Merwyn und ich lagen zwischen den Farnwedeln, die sich nun schwarz gegen den Himmel abzeichneten, und blickten hoch zu den Sternen. Wann genau war eigentlich meine Abneigung gegen ihn verschwunden? Weg war sie jedenfalls. Ohne viele Worte hatte er mir geholfen, als ich Hilfe gebraucht hatte. Ohne ihn wäre es nicht gelungen, Targon wieder unter Kontrolle zu bekommen. Joelle hatte Recht gehabt. Er war zwar manchmal ungenießbar wie ein Schlammspringer, aber man konnte sich auf ihn verlassen. Inzwischen wusste ich, dass das viel mehr wert war als ein

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