Der Sucher (German Edition)
netter Kerl, der einen im Stich lässt, wenn es einem schlecht geht.
»Weißt du noch, wie wir uns das erste Mal begegnet sind?«, fragte ich ihn.
»Klar weiß ich das noch. Beim Rat, vor der Prüfung.«
»Warum hast du das damals gesagt? Du weißt schon, das mit Udiko und mir.«
»Warum wohl? Ist doch klar. Ich wollte dich verletzen.«
Ich seufzte. »Das hast du geschafft. Aber warum wolltest du mir wehtun? Du kanntest mich doch gar nicht.«
Seine Stimme klang verlegen. »Bei Zarbas Rache, du siehst nun mal gut aus, hast wahrscheinlich jede Menge Erfahrung mit Mädchen ... und ich ... ich hatte noch nie eine Freundin. Ich habe dich sofort gehasst.«
Ich lag lange da und dachte über das nach, was er gesagt hatte. Darüber, dass das Leben so unfair war. Aber es gab auch ein paar Dinge, die er über mich nicht wusste. »Erfahrung schon«, sagte ich und erinnerte mich an meine kurze Phase als Weiberheld, die genau bis zu dem Moment gedauert hatte, als ich Lourenca das erste Mal gesehen hatte. »Aber Glück habe ich mit Frauen nie gehabt. Vielleicht ist das so eine Art ausgleichende Strafe des Schicksals.«
In diesem Moment mussten wir wohl beide an die Kerker der Felsenburg denken, daran, dass mich das Schicksal nun eigentlich mehr als genug gestraft hatte. Ich war froh, dass Merwyn es nicht ansprach, sondern sagte: »Als ich dann erfahren hatte, wer du bist ... da konnte ich dich erst recht nicht ausstehen. Wusstest du, dass ich mich auch bei Udiko beworben hatte?«
Überrascht schüttelte ich den Kopf.
»Wahrscheinlich war es ein Fehler, dass meine Eltern mitgekommen sind. Sie waren wütend, dass er sofort abgelehnt hat, und sind sehr ungnädig wieder abgezogen. Ich war wahnsinnig enttäuscht, und peinlich war mir die ganze Sache auch. Zum Glück hat mich dann ja Xalia genommen.«
Ja, und dann war einen Winter später ein frecher, dunkelhaariger Junge vor Udikos Tür aufgetaucht, hatte sich nicht abweisen lassen, war erhört worden – und hatte damit einen Lehrmeister gewonnen, sich aber auch einen Feind gemacht.
»Weißt du, Merwyn ...«, sagte ich und spürte, wie angespannt er war. Wartete er darauf, dass ich ihn verurteilte? Oder dass ich eine schadenfrohe Bemerkung machte? »Ich würde sagen, vergessen wir diesen alten Kram einfach. Das ist alles nicht mehr wichtig.«
»Nein«, sagte er. »Das ist jetzt nicht mehr wichtig.«
»Ich bin schrecklich froh, dass ich dich damals gebeten habe, mit uns nach Nerada zu kommen. Wer weiß, was sonst passiert wäre. Wie viele Tote es in der Provinz gegeben hätte. Menschen und Halbmenschen.«
Er nickte nur, und wir schwiegen beide.
»Du warst auch verliebt in sie, nicht wahr?«, fragte ich, und wir wussten beide, von wem ich sprach.
»Ich glaube schon«, sagte er. »Sie war ein ganz besonderer Mensch.«
»Ja, das war sie.« Ich hätte alles dafür gegeben, noch einmal die Augen schließen und Joelles Gesicht berühren zu dürfen – wie damals auf dem Markt von Xanthu.
Am nächsten Morgen umarmten Ynea, Merwyn und ich uns ein letztes Mal. Dann zogen wir in unterschiedliche Richtungen davon.
Unserer sehr unterschiedlichen Zukunft entgegen.
Heimkehr
Merwyn hatte mir das Versteck von Targons Schale genau beschrieben. Ich holte die Schale aus den Bergen und kehrte dann so schnell wie möglich nach Vanamee zurück.
Mein Herz klopfte bis zum Hals, als ich mich dem Seenland näherte und die Feuchtigkeit in der Luft spürte, den frischen Wind roch.
Meine Schritte wurden immer schneller. Quer durch ein Wäldchen musste ich noch, über ein paar Hügel hinweg. Ich schlug mich durch ein Tal voller verfilztem Buschwerk. Die Luft war brütend heiß, der Schweiß lief mir am ganzen Körper hinunter. Dann stand ich auf der Anhöhe vor der Grenze und blickte über die glitzernde endlose Wasserfläche. Der Wind zerzauste mein Haar, das viel zu lang geworden war, um so schnell zu trocknen wie früher. Kleine Wellen reckten sich am Ufer hoch, kräuselten sich übermütig um die Felsen, sprühten mir Schaum entgegen.
Die Seen. Meine Seen. Das Glück nahm mir den Atem.
Keinen Moment länger konnte ich warten. Ich begann zu rennen, stolperte den Hang hinunter, knickte Zweige aus dem Weg, riss mir an Dornenranken die Tunika auf. Dann war ich am Ufer angekommen, spürte nasse Kiesel unter den Füßen. Das Wasser, das Wasser – so nah! Eine grün schimmernde Libelle umschwirrte mich, hieß mich willkommen.
Den Großteil der Trockensachen streifte ich hastig ab und ließ
Weitere Kostenlose Bücher