Der Sucher (German Edition)
Hetta sofort zur Regentin ernennen, damit er nicht zu lange auf dem Thron sitzen muss.«
»Nein.« Spinnenfingers Stimme klang missmutig. »Das Risiko ist zu groß. Aber es kann sein, dass sich das Problem auch so löst – ihr Leibarzt hat neulich angedeutet, dass die Alte krank ist, schwer krank womöglich.«
Plötzlich flog die Tür auf, und die beiden Männer in ihren weiten schwarzen Kapuzenumhängen kamen heraus. Sie waren noch ganz ins Gespräch vertieft. Hinter ihnen ging Schrillstimme, schon für den Empfang zurechtgemacht, das blassrote Haar ordentlich frisiert. Mi‘raela hatte gelernt, sich vor Schrillstimme in Acht zu nehmen. Sie neigte zwar nicht zu Fußtritten, aber dafür zu Hinterhältigkeiten. Wäre Mi‘raela nicht völlig erschöpft gewesen, sie hätte mehr Vorsicht walten lassen. Doch ihre müden Pfoten versagten ihr den Dienst, sie sprang zu spät auf – und das Mädchen ließ kaltblütig die Öllampe fallen, die sie trug. Mitten auf Mi‘raelas Rücken.
Das heiße Öl durchtränkte Mi‘raelas Fell und ließ sie kreischend und fauchend fliehen. Nur weil sie sich blitzschnell auf dem Boden wälzte, schaffte sie es, die auf ihrem Rücken aufflackernden Flammen zu ersticken. So konnte das Feuer sie nur an ein oder zwei Stellen beißen. Schrillstimme beobachtete das alles mit einem leichten Lächeln, und die beiden Männer wandten sich nur kurz um und gingen dann weiter, noch immer ins Gespräch vertieft. Nach ein paar Augenblicken folgte ihnen das Mädchen.
Das Öl aus dem Fell zu lecken, ging nicht, das Zeug schmeckte widerlich und klebte auf der Zunge. Wahrscheinlich würde es viele Sonnenumläufe dauern, bis es langsam von selbst herausginge. Mi‘raela machte sich auf in Richtung Waschkeller, wo ihr vielleicht eine mitleidige Seele beim Entfernen helfen würde. Sie beschloss, sich das nächste Mal taub zu stellen, wenn Spinnenfinger oder Steinherz ihre Dienste wünschten. Selbst wenn sie damit eine Tracht Prügel riskierte.
In den Waschkellern hatte Mi‘raela Pech, dort herrschte Hochbetrieb, und niemand nahm sich Zeit für sie. Mit Hass im Herzen verzog sich Mi‘raela in die tiefen, fast verlassenen Bereiche der Burg, in denen sie sich wenigstens in Ruhe zusammenrollen und elend fühlen konnte. Schließlich fand sie eine unbenutzte Kammer im Vorratsbereich und ließ sich seufzend auf ein paar Strohsäcken nieder. Doch ihre feinen Ohren fingen eigenartige Geräusche auf. Sie versuchte, sich tiefer in den Strohsack zu wühlen und einzuschlafen, aber es nutzte nichts. Schließlich stand sie auf und machte sich daran, die Quelle der Geräusche auszukundschaften.
Bald stellte sie fest, dass sie aus einer der anderen leeren Kammern kamen. Vorsichtig spähte sie hinein und entdeckte, dass dort eine Menschenwelpin lag und heulte, was ihre Augen hergaben. Genauer gesagt war es die Welpin, die sich sonst immer bei den Speicherseen herumtrieb. Irgendwie berührte es Mi‘raela, dass es jemanden in der Burg gab, dem es gerade noch schlechter ging als ihr. Neugierig schlich sie näher und setzte sich neben das Mädchen. »Was ist? War jemand nicht nett zu dir?«
Erschrocken fuhr das Mädchen hoch. Doch als es die Katzenfrau erkannte, entspannte es sich etwas und versuchte ungeschickt, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. »Ach, du bist es. Ich habe dich lange nicht mehr gesehen.«
»Was ist los?«, wiederholte Mi‘raela. Jetzt fiel ihr auch wieder der Name des Mädchens ein. Jini. Sie trug ein Amulett der Luft-Gilde.
»Ach, eigentlich nichts Besonderes.« Jini zuckte mit den Schultern. »Ich ... fühle mich nur so schrecklich. Den ganzen Tag muss ich in den Küchen oder in der Wäscherei helfen, und da haben sie mich ausgeschimpft, weil ich so was nie gelernt und Vieles falsch gemacht habe. Ich bin einfach zu nichts nutze! Halt so ein blödes Findelkind.«
»Das ist genug zum Unglücklichsein, finde ich«, meinte Mi‘raela. Sie hasste es selbst, wenn sich jemand lustig über sie machte. Das war schlimmer als ein Fußtritt.
Jini seufzte tief. »Vielleicht sollte ich weglaufen. Am besten nach Nerada, das ist die Provinz meiner Gilde, weißt du?«
»Ich komme aus Alaak«, verriet Mi‘raela, und plötzlich war die alte Sehnsucht wieder da. Sie biss genauso ins Herz wie früher. »Aus dem Roten Wald oben an der Nordgrenze – deshalb haben viele aus meiner Sippe orangefarbenes Fell, das tarnt gut.«
»Apropos Fell«, meinte Jini und versuchte ein Lächeln. »Was hast du mit deinem
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