Der Sucher (German Edition)
auszuruhen. Dabei bemerkte ich die Blitze. Erst zeichneten sie sich nur als Leuchten am Horizont ab, und zu hören war nichts. Doch das blieb nicht so. Schon bald krachte der Donner über die Seen von Yanai wie Faustschläge eines wütenden Gottes; der Regen prasselte hart auf uns herab. Kurz darauf machte unter den Helfern die Nachricht die Runde: »Wir brechen ab! Lonzo sagt, wir müssen abbrechen, bis der Sturm vorbei ist!«
Niedergeschlagen blickten wir uns an. Wir wussten alle, dass sich das Wetter noch die ganze Nacht austoben würde – und dass es morgen Früh zu spät sein würde.
Nach besorgten Blicken zum Himmel begannen die Männer und Frauen um mich herum, in Richtung der nächsten Siedlung zu schwimmen. Halbherzig folgte ich ihnen. Doch ich konnte nicht aufhören, an die beiden Kinder zu denken, mich zu fragen, was mit ihnen passiert war. Instinktiv machte ich mich noch einmal bereit zum Abtauchen.
Jemand packte mich am Arm. »He, du! Hast du nicht gehört, Junge – bring dich besser in Sicherheit!«
Ein wildes Chaos von Gefühlen erfüllte mich, während ich den Helfer anstarrte. Bilder rasten durch meinen Kopf. Eiskalter Regen, der über eine Insel peitscht, ein Junge, der zusammengekauert wartet, dass es vorübergeht ... Ein kleines Mädchen, das mit dem Gesicht nach unten im Wasser treibt ... Zwei Kinder, die aus einem Kanu ins Wasser kippen, verzweifelt um sich schlagen ...
Ich riss mich los und tauchte ab.
Als ich wieder heraufkam, war ich allein in den grauen Wellen. Alle anderen waren zu ihren Luftkuppeln zurückgeschwommen.
Mein Atem ging in Stößen, und mein Herz hämmerte wie wild. Ich fragte mich, was mit mir los war. Allein hatte ich keine Chance, in diesem riesigen Gebiet die beiden Kinder zu finden. Und wenn in meiner Nähe ein Blitz ins Wasser einschlüge, wäre es aus mit mir. Aber ich schaffte es nicht, aufzugeben. Udiko hätte weitergesucht, dachte ich. Er hätte nicht abgebrochen. Nicht, wenn es um das Leben eines Kindes ging.
Als ich an meinen Meister dachte, erschrak ich. Mir wurde auf einen Schlag klar, dass ich einen großen Fehler begangen hatte. Ich hatte mich einfach den anderen Helfern angeschlossen, mich einteilen lassen, statt wie ein Sucher zu denken und zu handeln. Wenn diese Kinder jetzt noch starben, dann war es meine Schuld!
Sofort brach ich das Tauchen ab, es war sinnlos. Ich gab ein wenig Luft in meine Schwimmhaut, ließ mich kurz von den Wellen wiegen und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Dann erst begann ich nachzudenken und das anzuwenden, was Udiko mich gelehrt hatte. Lautlos bat ich Kinona um ihren Schutz, schloss die Augen und versuchte, mich in einen der Jungen hineinzuversetzen – ein Kind, das zur Luft-Gilde gehörte, das völlig anders dachte als ich; dem fester Boden Heimat war und Wasser fremd und unangenehm erschien, nicht umgekehrt wie mir.
Ich paddle entlang, aufgeregt, ein bisschen unruhig. Besorgt sehe ich, wie sich das Wetter verschlechtert. In der Ferne sehe ich einen Erwachsenen schwimmen. Schnell versuche ich, das Boot hinter eine Insel zu bringen, damit er uns nicht erwischt. Allmählich gefällt mir das Abenteuer nicht mehr. Die Wellen werden höher, und ich habe Angst, ins Wasser zu fallen. Wir legen an der Insel an. Aber inzwischen hat es angefangen zu regnen. Ich versuche, den Wind zu beruhigen, aber er ist zu stark für mich. Wir suchen einen Unterschlupf, steigen aus ... Das Kanu wird abgetrieben, wir schaffen nicht, es zurückzuholen ...
»Natürlich – sie haben sich einen Unterschlupf gesucht!« Ich schrie es fast hinaus. Sicher hatten die Helfer alle Inseln längst abgesucht, und Verstecke waren dort rar. Aber es gab ein paar Höhlen, die nicht jeder kannte und die ich durch Zufall beim Beobachten von Tieren entdeckt hatte. Ob die Helfer auch die überprüft hatten? Vielleicht nicht. Viel zu lange hatten wir einfach angenommen, dass die Kinder aus dem Kanu gefallen waren und irgendwo zwischen den hohen Wellen herumpaddelten!
Ich schwamm so schnell wie nie zuvor, raste von einer Höhle zur nächsten, schaute unter Felsvorsprünge und überprüfte verlassene Amphibiennester. In der dritten Höhle wurde ich fündig. Der Eingang, der fast zu klein war für einen Erwachsenen, lag normalerweise knapp über der Wasseroberfläche. Bei Sturm lief die Höhle bis oben hin voll, und schon jetzt konnte man nicht mehr raus, ohne Tauchen zu müssen. Als ich mich ins Innere zwängte – zum ersten Mal dankbar für meine schmale Statur
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